Einblicke/Rückblicke

Ungarns Kanzleramtsminister bei der DUG in Berlin

Gergely Gulyás bei der DUG in Berlin zu Gast
Gergely Gulyás, Kanzleramtsminister der ungarischen Regierung, war am 19. Oktober 2023 Gast der DUG-Veranstaltung »Grundlagen und Ziele der ungarischen Regierungspolitik« im CHB. Dazu folgend zwei Berichte aus dem Meinungsmagazin »Tichys Einblick« und der Wochenzeitung »Junge Freiheit«.
23.10.2023 | Tichys Einblick: Orbáns Amtschef in Berlin

Ungarns Asylpolitik: „Eine Zwangszuweisung können wir nicht akzeptieren“

Ungarns Amtschef des Ministerpräsidenten Gergely Gulyás spricht in Berlin Klartext über Europas Einwande­rungspolitik. Was Deutschland heute plötzlich will, habe sein Land schon 2015 gefordert. Wenn man sich als deutscher Bürger anders und direkt über Ungarn infor­mieren will, braucht es schon spezielle deutsch-ungarische Gesprächskreise, bei denen auch Mitglieder der ungarischen Regierung auftreten können. In Berlin war diese Woche der Amtsleiter des Ministerpräsidenten Ungarns zu Gast.
Gerhard Papke, Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft (DUG), hatte Gergely Gulyás zu einem Abend ins Berliner Collegium Hungaricum eingeladen. Gulyás ist Jurist und koordiniert als Minister seit 2018 die Amts­geschäfte von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Der heute 42-Jährige hatte zuvor intensiv an der neuen ungarischen Verfassung mitgearbeitet.

Der ungarische Minister kommt schnell auf den Punkt und gesteht dem Berliner Publikum, er wundere sich, wenn er heute Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag zu Asyl und Kontrollen an europäischen Grenzen hört. „Denn das war schon immer unser Standpunkt, als wir 2015 der größte Kriegsverbrecher waren.“ Er kann heute darüber lachen.
Gastgeber Papke fragt ihn daraufhin: „Haben denn die Regierungen nichts gelernt, selbst Islamisten strömen weiter über Europas Grenzen. Wird es zu einem Kurs­wechsel kommen?“
Gulyás mag angesichts der deutschen Ampelregierung nicht so recht daran glauben. Vor allem die deutsche Rechtsprechung sei ein Problem, weil das „soziokulturelle Existenzminimum“ zum Beispiel in Griechenland für Gerichte nicht gegeben sei. Deswegen gebe es auch keine Rückführungen.
Obendrein werde die Binnenverteilung von Migranten nicht funktionieren. „Eine Zwangszuweisung können wir nicht akzeptieren.“ Zuerst müsse der Schutz der Außen­grenzen stehen. Europa sei aber nicht in der Lage, diese zu sichern und dafür schnell einen Migrationspakt zu erzielen. Gulyás betont: Erste Ergebnisse so eines Paktes könnten bestenfalls erst in zwei Jahren wirken, und die eigentlichen Einwanderungsprobleme ohnehin nicht lösen.

Deutschlands Probleme mit der Integration beschreibt der ungarische Minister so: „Wenn jemand eine schlechte Entscheidung trifft, ist es schwer, sie zu korrigieren.“
Tichys Einblick fragte dazu den ungarischen Amtschef Orbáns, ob er mit einer Asylwelle aus dem Nahen Osten rechne, da der Premierminister Schottlands Humza Yousaf dieser Tage eine Umsiedlung von Hundert­tausenden Palästinensern aus dem Gaza-Streifen nach Europa forderte.
Gulyás lehnt dies ab. Er meint: Hunderttausende Palästinenser werden Gaza nach Ägypten verlassen. „Aber wir müssen die Probleme nicht nach Europa holen, sondern vor Ort lösen.“ Dazu sei Ungarn bereit und nicht für weitere Einwanderung.

Ungarn steht bei der Europäischen Kommission auf dem Index
Die EU-Kommission hat im Grunde das einwanderungs­unwillige Ungarn auf den Index gesetzt. Zum EU-Mittel-Boykott gegen sein Land entgegnet Ungarns Kanzler­amts­minister. „Wir haben das Recht, die Mittel zu bekommen.“ Es gebe schließlich einen Binnenmarkt. Ungarn habe aus seiner Sicht alle EU-Forderungen erfüllt.
Gulyás verteidigte zudem die jüngsten Gespräche seines Regierungschefs Orbán mit Russlands Präsidenten beim Seidenstraßengipfel. „Es ist keine Sünde, mit Putin zu sprechen.“ Der Bundeskanzler und der französische Präsident hätten es zuvor auch getan. Den Krieg Russlands hätte Ungarn ohnehin sofort verurteilt. Aber: „Wir müssen Möglichkeiten für den Frieden suchen.“ Ungarn habe ohnehin sämtlichen Sanktionspaketen der EU zugestimmt.
Gleichzeitig wirft der Minister einen kritischen Blick auf die USA. Der 42-Jährige zeigte sich beim Energie-Boykott sehr nachdenklich: „Es kann ein Interesse der Amerikaner sein, Energiequellen aus den Vereinigten Staaten zu kaufen.“ Deswegen sollten die Europäer auch ihre Interessen stärker durchsetzen.

Ungarns Amtsleiter des Regierungschefs räumte an dem Abend ein, dass es nach den Wahlen in Polen schwieriger für Ungarn werde, aber die italienische Regierung sei jetzt näher an ungarischen Positionen. Doch die ungarische Meinung bleibe mit Ministerpräsident Orbán „eine starke Meinung“.
Ein Bonmot gab es noch zum Schluss. Eine Frage nach der Amtsführung von Deutschlands grüner Außen­ministerin Annalena Baerbock beantwortet der Ungar ironisch diplomatisch: „Als Regierungsvertreter müsse man höflich bleiben, deswegen sage ich besser nichts.“ Das Publikum lachte laut.

Jüdisches Leben ist in Ungarn durch Einwanderer nicht gefährdet
Gastgeber Papke hatte zu Beginn des Abends seine jüngsten Erlebnisse in Budapest geschildert. „Dort gibt es jüdisches Leben in einer Selbstverständlichkeit, die wir in Deutschland schon gar nicht mehr kennen.“ Die größte Syna­­goge Europas müsse dort nicht von der Polizei bewacht werden. Jüdische Mitbürger in Ungarn brauchen sich nicht fürchten, dass sie von Israelhassern auf den Straßen wie in Deutschland belästigt oder deren Syna­gogen von Islamisten mit Anschlägen gefährdet werden.

Es müsse endlich gefragt werden: „Wo werden unsere Werte in Europa verteidigt?“ Nicht Ungarn, sondern die Islamisten seien die Feinde von Freiheit und Demokratie. Papke erinnert dabei an die Asylwelle von 2015: „Die Ungarn haben sich standhaft der unkontrollierten Masseneinwanderung nach Europa in den Weg gestellt.“

EU lässt weiter Antisemitismus aus dem Orient einwandern
Eingewanderter Antisemitismus aus dem Orient sei anders als bei uns in Ungarn so gut wie kein Thema, resümiert DUG-Präsident Papke nach seinem Budapest-Aufenthalt. Während Hamas- und PLO-Unterstützer zu Tausenden auf deutschen Straßen gegen den jüdischen Staat Israel militant demonstrieren, können Juden in Ungarn also ungefährdet einem völlig normalen Leben nachgehen.
Eurokraten um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) wollen diese andere Wirklichkeit in Ungarn nicht anerkennen. Stattdessen lassen sie weiter ungehindert Antisemitismus aus arabischen und afrikanischen Ländern einwandern. Die unbegrenzte Asyleinwanderung in die Sozialsysteme wird so auch eine Bedrohung für in Europa lebende Juden, wie immer wieder aktuelle Übergriffe in Frankreich, Belgien, Niederlande und Deutschland zeigen.

Schlimmer noch: Der schottische Premierminister Humza Yousaf will jetzt Palästinenser von Gaza nach Europa umsiedeln. Der 38-jährige Yousaf mit pakistanischen Wurzeln ist seit März Vorsitzender der Scottish National Party (SNP) und First Minister Schottlands. Er forderte die britische Regierung dazu auf, „sofort“ einen „Umsie­d­lungs­plan für das Volk von Gaza zu schaffen“. Eine Million Menschen in Gaza bräuchten Sicherheit und Zufluchts­orte. Yousafs Frau Nadia El-Nakla wurde in Dundee als Tochter eines palästinensischen Vaters und einer schottischen Mutter geboren. Ihre Eltern sitzen seit Beginn der Kampfhandlungen im Gaza-Streifen fest.
Die Folge: Eine unglaubliche Familienpolitik auf Kosten Europas und auf Kosten der Sicherheit von europäischen Bürgern und Juden. Die Transformation der europä­ischen Bevölkerung soll künftig also verschärft werden. „Islamic Republic of Scotland, here we come“, kommentiert ein Leser der Jerusalem Post Yousafs Forderung.

Dahingegen hat die EU-Kommissionschefin Ungarn praktisch zum Schurken Europas abgestempelt. Dessen Regierung revanchierte sich jüngst mit Kritik an der fehlerhaften Politik seiner Intimfeindin. Die Präsi­dent­schaft von Ursula von der Leyen sei sehr schlecht für Europa gewesen, erklärte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó. Er betonte zudem, dass die Europäische Kommission unter von der Leyens Führung Polen und Ungarn im Vergleich zu anderen Mit­glieds­staaten ständig benachteiligt habe. Ein solches Verhalten sei von einer Kom­mis­sions­präsi­dentin inakzeptabel. Obendrein gibt es keine Garantie, dass die ungarische Regierung von der Leyen erneut zur Präsidentin wählen würde.

Vergessen wir nicht: EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kannte keine Anstandsgrenzen, als sie Mitte September 2022 einem Mitgliedsland der Europäischen Union wie Ungarn vorwarf, inzwischen eine „Wahlauto­kratie“ geworden zu sein. Was für ein ungeheuerlicher Vorwurf, obwohl gut 200 OSZE-Wahlbeobachter bei der Ungarnwahl am 3. April 2022 keine Unregelmäßigkeiten feststellen konnten.
Für von der Leyen und ihre Euro-Technokraten haben die renitenten Ungarn nur den „falschen“ Ministerpräsi­den­ten zum vierten Mal zuletzt sogar mit Zwei-Drittel-Mehr­heit gewählt – den konservativen Viktor Orbán (Fidesz).
Dabei könnte die deutsche CDU-Politikerin an der Spitze der EU wahlautokratische Züge inklusive Pannen, Mauscheleien und Chaos ganz locker in ihrem Heimatland und vor allem in ihrer Bundeshauptstadt finden. Dort musste die Abgeordnetenhauswahl im Februar dieses Jahres deswegen wiederholt werden.

20.10.2023 | Junge Freiheit
„Können wir nicht akzeptieren“

Ungarns Kanzleramtsminister kritisiert EU-Asylkompromiß

Ungarns Kanzleramtsminister mahnt in Berlin: Der EU-Migrationspakt liefert zu wenig und kommt zu spät. Doch er zeigt sich auch erfreut über die Bereitschaft der euro­päischen Regierungschefs, kritisch über Migration zu reden. 2015 war das noch anders.

BERLIN. Ungarns Kanzleramtschef Gergely Gulyás hat bei einem Besuch in Berlin bei der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft (DUG) die derzeitige Asylpolitik der Euro­päischen Union kritisiert. Der Migrationspakt, wie er derzeit von den Regierungschefs ausgehandelt wird, reiche nicht, um die aktuellen Probleme zu lösen, betonte der Fidesz-Politiker. Gulyás sieht „keine reelle Chance“, daß ein Pakt, der erst in zwei Jahren greifen würde, die Situation heute entspannen könnte.
Zudem müsse der Schutz der europäischen Außen­grenzen in den Fokus genommen werden – ein Punkt, der im Migrationspakt aus ungarischer Sicht zu wenig Auf­merk­samkeit erhalte. Allerdings zeigte sich der hoch­rangige Politiker, der als rechte Hand von Minis­ter­präsident Viktor Orbán gilt, erfreut über die Bereitschaft anderer Regierungschefs, nun kritisch über Massen­migration zu reden.
2015 habe man Ungarn dargestellt, als sei es „der schlimmste Kriegsverbrecher“, jetzt stellten deutsche Sozialdemokraten ähnliche Forderungen wie damals die Regierung in Budapest. Jedoch warte er nicht darauf, daß man seinem Land im Nachhinein recht geben werde.

Gulyás: Ungarn wird keinem Verteilmechanismus zustimmen
Gulyás bezweifelte, daß es zu einem politischen Para­digmenwechsel in Deutschland kommen wird. Deutschland habe durch die Rechtsprechung eine hohe Hürde zu Überwinden. Gerichte würde Ausweisungen unter anderem nach der Dublin-Verordnung stoppen, da das soziokulturelle Existenzminium in anderen EU-Mit­glied­staaten nicht gesichert sei. Auch daher flüchte sich die deutsche Politik in eine europäische Lösung, um trotzdem eine Umverteilung erzielen zu können. Diese werde Ungarn aber weiterhin ausschließen. „Alle Arten dieser Verteilung können wir nicht akzeptieren“, verdeut­lichte Gulyás auf Nachfrage.

In Kontrast zu muslimischer Massenmigration, nehme Ungarn als Nachbarland der Ukraine viele ukrainische Kriegsflüchtlinge auf, betonte er. Sie erhielten Sozial­leistungen und Arbeitserlaubnisse, man stehe solidarisch an der Seite der Ukraine gegen den russischen Angriffs­krieg. Jedoch machte Gulyás erneut deutlich, daß ein Frieden gefunden werden müsse, ein anhaltender Kon­flikt schade Europa.

DUG-Präsident Papke: Ungarn läßt keine Islamisten ins Land
Gulyás ist Jurist, Politiker und seit 2018 Minister im Amt des Ministerpräsidenten – vergleichbar mit dem Amt des Kanzleramtschefs. Er ist Mitglied der Fidesz-Partei und sitzt seit 2010 in der ungarischen Nationalversammlung.
Den Abend eingeleitet hatte der Präsident der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft, Gerhard Papke. Er verwies daraus, daß es in Ungarn eine blühende jüdische Kultur und auch nach dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel keinerlei antisemitische Übergriffe wie in Deutschland gebe. Ungarn lasse keine Islamisten ins Land, und die deutsche Politik täte gut daran, sich daran ein Beispiel zu nehmen. (sv)

Begrüßung durch Gerhard Papke
Kanzleramtsminister und ungarische Delegation bei der DUG in Berlin
CHB Leiterin Márta Nagy
Gergely Gulyás bei der DUG in Berlin zu Gast
Kanzleramtsminister Gergely Gulyás zu Gast bei der DUG
Begrüßung durch Gerhard Papke
Kanzleramtsminister und ungarische Delegation bei der DUG in Berlin
CHB Leiterin Márta Nagy
Gergely Gulyás bei der DUG in Berlin zu Gast
Kanzleramtsminister Gergely Gulyás zu Gast bei der DUG

Ein Besuch im ungarischen Parlament

Ein Veranstaltungsbericht von Frank Engel, Balatonszentgyörgy


Oktober 2023 | Gestern besuchten wir das ungarische Parlament. Nicht als normale Touristen, sondern auf Einladung der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft, deren Mitglied ich seit Ende 2022 bin.

Treffpunkt war um 13.30 Uhr am Besucherzentrum des Parlamentes und so fanden wir uns dort zeitig ein. An­gereist waren wir schon am Sonntag, so dass wir den Vormittag ausgiebig nutzten, um uns Budapester Ecken anzuschauen in denen wir noch nicht waren. Davon vielleicht in einem anderen Beitrag mehr, hier nur kurz gesagt: Budapest ist eine sehenswerte Stadt und immer eine Reise wert.

Das Parlament (siehe Bild oben) ist schon äußerlich ein Blickfang und, darf man den Ausführungen der netten ungarischen, deutschsprachigen Führung glauben, eines der meistgesehenen Gebäude der Welt.

Vor der Führung machten sich die ungefähr 30 Personen der Gruppe soweit als möglich untereinander bekannt. Ich lernte auch erstmals den Präsidenten der DUG, Herrn Dr. Gerhard Papke kennen, ehemals stellvertretender Landtagspräsident von NRW; ehemals Vorsitzender der FDP-Fraktion im dortigen Landtag; ehemals in der Theodor-Heuß-Akademie in Gummersbach, meiner Heimatstadt beschäftigt. Leider hatten wir zu wenig Zeit für einen längeren Austausch, aber das wird nachgeholt.

Um 14 Uhr begann dann die Führung, nachdem eine sorgfältige Sicher­heits­kon­trolle über uns ergangen war, im Besucherzentrum. Durch einen unter­ir­di­schen Gang gelangten wir zunächst in eines der reichlich mit Gold und Verzierungen aus­ge­stat­teten Treppen­häuser des Parla­mentes.

Unsere kenntnisreiche Begleiterin teilte uns mit, dass sämtliche Goldverzierungen oberhalb von drei Meter Blattgold sei und das insgesamt gut 40 Kilo Gold im Par-lament auf diese Weise verarbeitet worden sei. Auch künstlerisch in Form von Deckenbildern und Bleiglas­fenstern, wurde beim Bau des Gebäudes nicht gespart.
Entworfen wurde das Gebäude vom Ungarn Imre Steindl, erbaut von 1885-1904, dabei wurden ausschließlich ungarische Materialien und Handwerker zur Ausführung genommen.

Das Gebäude ist recht groß, beherbergte seinerzeit allerdings auch beide Kammern der ungarischen Demo-kratie, nämlich das Magnaten- und Abgeordnetenhaus mit ihren jeweiligen Sitzungssälen. Dabei ist das Gebäude symmetrisch angelegt, die jeweiligen Sitzungssäle liegen sich gegenüber, in der Mitte mit dem 96 Meter hohen Kuppelbau verbunden. Dies kurz zur Einordnung.

Unser Rundgang ging im Treppenhaus zunächst vier Stockwerke nach oben, wobei die weniger dem Treppen-steigen Zugeneigten mit einem Aufzug fahren konnten, wobei die Treppen nicht sehr steil waren und selbst weniger sportlichen Naturen es nicht schwer machen.

Im vierten Stock ging es dann über weitläufige Flure zum Haupttreppenhaus in der Mitte des Gebäudes. Das Haupttreppenhaus ist ein architektonisches Glanzstück, mit Spitzbögen, weitläufigen, symmetrischen Treppen, voll von ungarischer Symbolik, die von unserer Begleite­rin kenntnisreich erklärt wurde.

Das Treppenhaus führt zum Haupteingang des Gebäu­des, wobei dieser aber wohl nur alle 4 Jahre nach der Wahl der Abgeordneten genutzt wird.
Angrenzend an das Haupttreppenhaus, befindet sich die 96 m hohe Kuppel, wobei der innere Kuppelbau nur 1/4 so hoch ist, trotzdem beeindruckt, die Säulen mit Mitgliedern der ungarischen Könige besetzt sind.
Leider darf man im Kuppelbau selbst nicht fotografieren, so dass ich nur einige Bilder, mangels Objektiv von außen gemacht habe.

In der Mitte des Kuppelbaues, bewacht von drei Solda-ten, davon zwei in Habachtstellung neben der Glasvitrine, befindet sich die heilige Stephanskrone, Königskrone der ungarischen Könige. Man kann sagen das jeder Ungar, egal welcher politischen Strömung ein heutiger Ungar angehört, aus dieser 1000 Jahren alten Wurzel und Tra-dition seinen Stolz und seine Identität bezieht. Wenn man dies verstanden hat, hat man schon einen großen Teil von Ungarn verstanden oder sagen wir es so, man hat es einfacher Ungarn zu verstehen.

Nach dem Kuppelbau wandten wir uns wieder zurück in Richtung Besucherzentrum, dort zum ehemaligen Sitzungssaal der Magnaten, denn Ungarn hat nun eine Einkammer-Demokratie. Das Plenum der Adligen wurde aufgelöst und so dient dieser Saal jetzt nur noch für Konferenzen und besondere Anlässe. Demgegenüber tagte während unserer Anwesenheit das heutige Parla-ment im Sitzungssaal der Abgeordneten.

Interessant aus heutiger Sicht auch die gut ausgestat-teten Debattier- und Ruheräume für die Abgeordneten, aber auch die in den Fluren reichlich vorhandenen Messingablagen bzw. -aschenbecher für dicke Zigarren. Das deutsche Sprichwort „mir raucht der Kopf“ konnte man sich dort für manchen Abgeordneten bildlich vor-stellen. Wenn auch nur ein Teil der Abgeordneten rauchte, muss dort ziemlich dicke Luft geherrscht haben, selbst bei entspannten Debatten.
Nach der Besichtigung wurden wir in einen Kon­fe­renz­saal geführt, wir zunächst von einer Beamtin des ungarischen Parlamentes, zuständig für auswärtige Beziehungen und Austausch, empfangen wurden. Diese informierte uns über den Austausch von Freund­schafts­gruppen auf parla­men­ta­rischer Ebene und das dies seit geraumer Zeit sich mit dem deutschen Parlament schwierig gestalte, diplomatisch ausgedrückt, dies aber nicht an Ungarn liege, denn Ungarn habe ein Interesse an freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland.

Nach einer halben Stunde erschien dann auch der stell­ver­tretende Parla­ments­präsident, ehemaliger Verteidi­gungsminister, der Abgeordnete Csaba Hende, der sich zwischen zwei Abstimmungen im Parlament dankens-werterweise für uns Zeit nahm. Herr Hende bekräftige die Ausführungen seiner Vorrednerin und stellte sich anschließend den Fragen der Teilnehmer der Runde die er, keinesfalls ausweichend, wie das Politiker gerne machen, in einem sehr guten Deutsch beantwortete. Es ging um das Verhältnis Deutschland-Ungarn, ein wenig Innenpolitik, ein wenig Vergangenheit, die einseitige Darstellung von Ungarn in Deutschland, ein wenig um die Zukunft. Die genauen Fragen und Antworten hier abzu­handeln, würde zu weit führen, zumal dies eher eine Aufgabe eines politischen Journalisten in Interviewform wäre.
Ich nahm aber mit, dass die Ungarn die Deutschen mögen, auch wenn sie zur Zeit nicht nett übe Ungarn reden, Teile der Politik und viel Medien, dass die Liebe derzeit nicht erwidert wird, jedenfalls nicht offiziell, die Ungarn aber sehen was sie in der Vergangenheit und Gegenwart an den Deutschen haben und sie daher weiter lieben.
Vielleicht kann man das Verhältnis Ungarn-Deutschland mit einer Ehe vergleichen, in der es auch Höhen und Tiefen gibt und man sich trotz aller Widrigkeiten versteht, in guten, wie in schlechten Zeiten. Gedenkt man der Länge der deutsch-ungarischen Ehe, so überwiegen sicher die guten Zeiten.
In diesem Sinne bringt sich die DUG, wo ich denn nun gerne Mitglied bin, für einen Fortbestand dieser guten Zeiten ein.
Aber auch abseits einer formellen Mitgliedschaft, abseits einer freundschaftlichen Verbindung zu Ungarn, lohnt sich die Besichtigung des Parlamentsgebäudes schon alleine aufgrund von Kunst und Architektur des Ge­bäu­des, Prädikat äußerst sehenswert.

»Ich seh` des Ostens Fluren Reich an Wonne …«

Neues Buch von Adorján Kovács über Sándor Petőfi zum Jubiläumsjahr
Der romantische Dichter Sándor Petőfi (1823-1849) ist der international bekann­teste Autor Ungarns. Das Gedenkjahr zur Feier seines 200. Ge­burts­­tags geht in einigen Wochen zu Ende.

Die bedeutendste Frucht des Jubilä­umsjahrs dürfte in Ungarn die beim Osiris-Verlag erschie­nene Buch­reihe gewesen sein, die aus einer Chronik von Petőfis Leben, einer Sammlung zur Werkrezeption mit den besten litera­tur­wissen­schaftlichen Essays aus zwei Jahrhunderten und drei Bänden einer Leseausgabe besteht, die endlich auf 2500 Seiten alle Werke Petőfis auch einschließlich aller Übersetzungen umfasst.

Auch die Kritische Ausgabe steht nach 50 Jahren Arbeit kurz vor der Vollendung. Leider gibt es aber immer noch keine, den Ausgaben der Bibliothèque de la Pleiade oder des Deutschen Klassiker Verlags entsprechende, kommentierte ungarische Leseausgabe seiner Gedichte, in der jedes Gedicht zusätzlich zu bibliographischen und biografischen Angaben auch literarisch untersucht wird. Schlimmer noch, auf Deutsch gab es bisher nur Anti­quarisches; im Buchhandel war seit Jahrzehnten gar nichts von ihm oder über ihn erhältlich. Das hat sich jetzt geändert mit dem Erscheinen einer Monographie über sein Werk, die wegen einer großen Zahl an aufgenom­menen Übersetzungen auch als Gedichtauswahl gelesen werden kann: Adorján Kovács: Sándor Petöfi – »Dichter sein oder nicht sein«. Dichtung und Deutung. Arnshaugk, Neustadt a. d. Orla, 2023 / ISBN 3-95930-276-2 (siehe Abbildung).

Mit dem folgenden Gedicht, das Petőfi auf dem Weg zu seiner Verlobung im Juli 1847 geschrieben und nie veröffentlicht hat, und einer beispielhaften Kommen­tierung soll an diesen im deutschsprachigen Raum leider vergessenen Dichter von weltliterarischer Bedeutung erinnert werden.

Sándor Petőfi
Látom kelet leggazdagabb virányit…

Látom kelet leggazdagabb virányit,
A természetnek virág-háremét,
S a napnak rózsaszínű szempilláit:
Hasadt felhő mosolygó peremét;
Látok homályos pálmaligetet,
Hol a szellő rejtélyesen susog,
És énekel fényes madársereg…
Madarak? vagy tán zengő csillagok? –

– Látok nagy hegyről egy kék szigetet
A tenger és a messzeség ölében;
Körűlem ősz van, amott kikelet.
Vándorló darvak úsznak át az égen
Az őszbül a tavaszba, és utánok
Elküldi a szív minden vágyait,
S e vágy talán még jobban boldogít,
Mint ha ott volnék, ahol lenni vágyok. –
– Látok mesés, holdfényes éjszakát,
Az élet alszik, a halál viraszt:
A légen szellemek suhannak át,
Ruháiktól megrezzen a haraszt;
Nem alvilági rémes szellemek:
Boldog halottak, kik lejöttenek
A holdsugárok arany fonalán
Csillagjaidból, mennyei magasság,
Hogy kedveseiket meglátogassák,
S hogy ajkaikra csókolják talán
Az édes álmat, melyben lelkeik
Az ég üdvét előre érezik.
Látok mindent, mi sohasem a szemnek,
Csak a sejtésnek látható az éjben…
S mindezt két szemben látom: kedvesemnek
Sötét világú, ábrándos szemében.
Szatmár, 1847. július 17.

Ich seh’ des Ostens Fluren reich an Wonne … (Juli 1847) Übersetzung Theodor Opitz, Bearbeitung A. K.

Ich seh’ des Ostens Fluren reich an Wonne,
Den Blütenharem der Natur seh’ ich,
Aus ros’gen Augenlidern lacht die Sonne,
Aus dem Gesäum’ gespaltner Wolk’, auf mich;
Ich sehe einen dunklen Palmenwald,
Worin geheimnisvoll flüstert der Wind,
Und der Gesang glänzender Vögel schallt …
Ob’s Vögel? oder klingend’ Sterne sind? –
Ich seh’ von hohem Berg ein Eiland blau
Im Schoß des Meeres und der Ferne flimmen;
Rings um mich ist es Herbst, dort Frühlingsau,
Den Himmel Wanderkraniche durchschwimmen
Vom Herbst fort in den Lenz; all sein Verlangen
Es schickt’s das Herz den Vögeln hinterher,
Und dieses Sehnen wohl beglückt’s noch mehr,
Als dort, wohin mich’s dränget, anzulangen. –
Ich sehe eine märchenhafte Mondennacht,
Es wacht der Tod, es schlummert was da lebt;
Es huschen durch die Lüfte Geister sacht,
Von ihren Kleidern leicht das Strauchwerk bebt;
Nicht Schreckgespenster aus der Hölle Kluft,
Nein, sel’ge Tote, welche durch die Luft
Geschwebt auf Mondlichts goldnen Fäden leicht
Von deinen Sternen, hoher Himmel, nieder,
Um zu besuchen ihre Lieben wieder,
Zu küssen auf die Lippen leis vielleicht
Den holden Traum, worin die Seligkeit
Des Himmels sie empfinden vor der Zeit.
Ich sehe alles, was das Auge nimmer,
Was nachts allein die Ahnung kann erblicken,
Und zwar in zweier Augen hellem Schimmer,
In der Geliebten dunklen Schwärmerblicken.

Zweites Deutsch-Ungarisches Sommercamp in Révfülöp

Gemeinsam mit dem Deutsch-Ungarischen Institut für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium veranstalteten wir zum zweiten Mal das Deutsch-Ungarische Sommercamp. Vom 6. bis 10. August trafen sich 22 junge Deutsche und Ungarn im Cholnoky Jenő Kinder- und Jugendhafen und Studentenlager des Mathias Corvinus Collegium in Révfülöp und erlebten ein umfangreiches Programm. Ein Veranstaltungs-bericht von Darkó Tünde.


Der Balaton war schon vor 1989 ein wichtiger Begegnungsort in der Geschichte der deutsch-ungarischen Beziehungen. Die Ostdeutschen, die ihre westdeutschen Verwandten sehen wollten, verabredeten sich gerne zum Urlaub am Balaton. Die DDR-Touristen entdeckten den Balaton als beliebten Urlaubsort gegen Ende der 1960-er Jahre, nach dem Bau der Berliner Mauer. Heutzutage sind es vor allem deutsche Rentner, die sich gerne ein Ferien­haus am Balaton kaufen um Zeit in Ungarn zu verbringen.
Beim diesjährigen Sommercamp nahmen 22 junge Deutsche und Ungarn teil, die sich für die Zukunft beider Länder interessieren. Im Rahmen des Programmes gab es viel Zeit und Raum für das gegenseitige Kennenlernen, Zuhören und vor allem für Diskussionen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, was die europäische Zusammenarbeit, Rechte, Pflichten und Verantwortungen betrifft.

Fachlicher Wissenstransfer
Ziel des Summercamps ist es, den deutschen Teilneh­mern Einblick hinter die Fassade der negativen Schlag­zeilen über Ungarn zu ermöglichen und im Gegenzug den Ungarn zu zeigen, wie die Situation aus deutscher Sicht in Deutschland. Neben dem fachlichen Wissens­transfers stand vor allem im Mittelpunkt, Kontakte zu knüpfen und sich Gedanken zu machen über eine gemeinsame Zukunft, ein gemeinsames Euro­­pa, welches nicht nur aus Brüssel sondern auch vom Balaton aus gestaltet werden könnte.
Unser Camp begann am Sonntag mit der Podiumsdis­kussion »Deutsch-Ungarische Beziehungen, gemein­same und unterschiedliche Verantwortungen für Europa«, deren Teilnehmer Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Institutes, Csaba Hende, Vizepräsi­dent der Ungarischen Nationalversammlung und Dr. Gerhard Papke, Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland e.V. waren.

Nach diesem inhaltsbezogenen Auftakt, nahmen die Teilnehmer an einem ungarndeutschen Tanzhaus teil, geleitet von Mira Gölcz, Schulleiterin der Deutschen Nationalitätenschule Budakeszi.

Am 7. August begann unser Tag mit einem Vortrag von Jakov Devcic, Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Serbien und Montenegro. Herr Devcic präsentierte die Herausforderungen der EU Erweiterungspolitik und betonte, dass die Ziele in diesem Politikfeld von mehreren Faktoren abhängen.

Jakov Devicic / ©Tabor Nemet
Jakov Devicic / ©Tabor Nemet

Danach hatten die Teilnehmer die Möglichkeit an einem Journalistenworkshop teilzunehmen, geleitet von Ágnes Horváth, Redakteurin und Journalistin bei MTVA und Mátyás Kohán, Journalist bei Mandiner.

Im Rahmen des Workshops bekamen die Studenten die Aufgabe, aus einer Botschaft entsprechende Nachrichten zu formulieren, entlang verschiedener deutschen Mediendienstanbieter.
Am Nachmittag folgte ein Vortrag und eine Diskussion mit Dr. Ágoston Mráz, Direktor des Meinungsforschungs­instituts Nézőpont und Dr. Gerhard Papke zum Thema »Was denken die Ungarn? Wirtschaft, Familie, Migration«, moderiert von Bence Bauer.

Umfangreiches Programm
Am 8. August begann unser Tag mit einem Ausflug auf den Tóti Berg und einem Workshop gehalten von Sofia van der Vegt, Geschäftsführerin Ungarn der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Die Teilnehmer simulierten ein Treffen des Europäischen Rates im Jahre 2033, bei dem Energie­wirtschaft und innere und äussere Sicherheit die wich­tigsten Themen waren, welche rückblickend beleuchtet wurden.


Am Nachmittag war Dr. Katalin Gajdos-Frank, Direktorin des Jakob Bleyer Heimatmuseums Budaörs unser Gast, die über die Lage der Minderheiten in Ungarn referierte, mit Schwerpunkt auf die deutsche Minderheit in Ungarn. Danach erfuhren die Teilnehmer alle wichtige Informa­tionen über die Blaudrucker Technik, womit damals die Volkstracht der Ungarndeutschen geschmückt war und hatten die Möglichkeit selbst Stofftaschen mit Blaudruck­technik zu verzieren.

Am 9. August präsentierte Bence Kocsev, Mitarbeiter der Sammlung der Otto von Habsburg Stifung die Arbeit der Stiftung und das Erbe Otto von Habsburgs mit Bezug auf Netzwerke und Netzwerkbildung. Danach hielt Mátyás Ökrös einen Vortrag über die Arbeit im Europäischen Parlament von der Perspektive eines ungarischen Abgeordneten. Am Nachmittag schlossen wir unser Camp mit einer Feedback-Runde und einer Zusammenfassung ab.

Europäischer Kontext
Da man die deutsch-ungarischen Beziehungen ohne dem europäischen Kontextes nicht unter die Lupe nehmen kann, wurde in diesen Tagen relativ viel über die Zukunft der Europäischen Union diskutiert, auch mit Bezug auf die Aussichten der Europäischen Parlamentswahlen und hinsichtlich der Erweiterungspolitik.
Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, ihre Gedanken auszutauschen und allen Referenten Fragen zu stellen. Von Volleyball, über Segeln und Stand-up Paddel kam auch die Freizeit nicht zu kurz und das gemütliche Beisammensein am Abend mit Karaoke und Tanzen war natürlich auch ein Muss.

Wir danken den Mitarbeitern des Hafens und des Res­taurants Scruton für die tolle Zeit, die wir in Revfülöp verbringen konnten und freuen uns auf ein Wiedersehen im Sommer 2024 am gleichen Ort!

Die Selbstbehauptung Ungarns in einem Europa der Selbstaufgabe

Vortrag von Prof. Dr. Heinz Theisen bei einer Veranstaltung der DUG am 24. Mai in Bonn

Wer einige Zeit in Ungarn oder in anderen mitteleuropäischen Staaten wie der Slowakei, Tschechien und Polen verbringt, staunt schon über das Straßenbild. Hinter der Oberfläche der öffentlichen Ordnung verbirgt sich eine unterschiedliche Grenzpolitik und hinter dieser ein unterschiedliches Staats- und Politikverständnis als in Westeuropa.

Es ist spezifisch westlich, Grenzen überwinden zu wollen, dies galt lange vor allem nach außen, heute umgekehrt gegenüber außen. Heute sind wir wieder einen Schritt weiter und wollen im Wokismus selbst natürliche Grenzen zwischen den Geschlechtern überwinden.
Diese Entgrenzungen einer Regenbogenideologie mit ihren Hauptsträngen Genderismus und Antirassismus gelten der Mehrheit in Polen oder Ungarn als dekadente Selbstauflösung von Kultur. Das ungarische und polnische Beharren auf physischen und kulturellen Grenzen gilt den Aufgewachten im Westen wiederum als „rechts, autoritär und nationalistisch.“

Die Unterscheidung nach West-, Mittel- und Osteuropa ist zu Unrecht aus der Mode gekommen. Mit dem Einheitsbegriff „Europa“ werden aber vielfältige kulturhistorisch gewachsene und geografische Unterschiede verwischt. Die stärkste unterschiedliche Prägung  ist jedoch, dass die ost- und mitteleuropäischen Länder jahrzehntelang von der kommunistischen Utopie beherrscht worden waren. Sie stehen daher utopischen Visionen weitaus ablehnender gegenüber als der nach einer langen Phase des Wohlstands übermütig werdende Westen. Sie haben keinen Bedarf mehr, Realität und gesunden Menschenverstand wolkigen oder wokigen Phantasien zu opfern.

Ein in globalen Kategorien denkender Moralist will die kurzfristigen Interessen seiner eigenen Gesellschaft überwinden. Bei dem Verzicht auf die Selbstbehauptung des Eigenen, den wir heute in Deutschland und weiten Teilen der westlichen Welt erleben, handelt es sich in Evolution und Geschichte um einen ungewöhnlichen Vorgang.

Die Selbstbehauptung Ungarns
Die Selbstbehauptung Europas und des Westens erfordert heute vor allem deren Selbstbegrenzung.* Ein Fellowship am Mathias Corvinus Collegium in Budapest verschaffte mir die Gelegenheit, meine dementsprechenden Thesen an der ungarischen Politik zu überprüfen, die sich unter die Überschrift der „Selbstbehauptung des Eigenen“ stellen lässt: der gesellschaftlichen Selbstbehauptung des Bürgertums, der Selbstbehauptung eines souveränen Nationalstaates und zudem auch der Selbstbehauptung der europäischen Kultur, insbesondere des Christentums im weltweiten Kampf der Kulturen.

Über diese Agenda ist Budapest längst zu einem geistigen Zentrum von Konservativen aus aller Welt geworden. Sie haben von der Erfolgen der ungarischen Regierung gelernt, dass nur eine intellektuelle Durchdringung der wichtigsten Narrative der Versuchung zu widerstehen hilft, sich – wie bei den britischen Konservativen oder der CDU geschehen – von Wahl zu Wahl immer mehr dem Wunschdenken „fortschrittlicher“ Parteien anzunähern und von den Notwendigkeiten der Selbstbehauptung abzuwenden.

Diese umgekehrte Entwicklung Ungarns beruht nicht auf diesen oder jenen Zufällen, sondern neben den Prägungen der Vergangenheit auf der Philosophie einer Synthese von Liberalismus und Kommunitarismus. Der mittlere Weg zwischen Freiheit und Ordnung oder Individuum und Gemeinschaft, stellt sich sowohl dem kommunistischen als auch dem neoliberalen Universalismus entgegen. Es geht um nicht weniger als die endende Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den Gegensätzen des Lebens.

Mit dieser Selbstbehauptungspolitik fordert Ungarn den Moralismus und Globalismus des Westens direkt heraus, was dem Land und seiner Regierung eine uneingeschränkte Abneigung einträgt, die bis hin zur Einbehaltung der Ungarn zustehenden Gelder von der Europäischen Union reicht. Statt zum gemeinsamen Lernen in Alternativen führt diese Unterschiedlichkeit zu einem gehässigen Polarisierung der politischen Geister nun auch noch auf der europäischen Ebene. Angesichts der drohenden Selbstaufgabe Europas wäre es wesentlich angemessener, zu einer Kultur des lernenden Europas zurückzufinden.

Der westliche Universalismus und Globalismus relativieren sich bereits in Mitteleuropa. Die Spaltungen zwischen West- und Mitteleuropa schlagen sich dann im Konflikt zwischen den Vertretern einer  „Ever closer Union“ und  einem „Europa der Nationen“ nieder. Europas Identität bleibt die Vielfalt. In den Konflikten zwischen Ungarn und der Europäischen Union spitzt sich der Konflikt  zwischen dem europäischen Zentralismus und der Selbstbehauptung des Nationalstaates dramatisch zu. Dabei sollten weder ein Ausstieg, noch weitere Ausgrenzungen, sondern eine konsensuelle Transformation der zu einem umgrenzten und sich gemeinsam schützenden Gebilde angestrebt werden.

Alle Versuche zur Vereinheitlichung Europas sind gescheitert. Gemäß dieser historischen Erfahrungen wird eine Europäische Union nur in dezentralen und subsidiären Formen als ein „Europa der Nationen“ gedeihen können. Das neue Paradigma sollte heißen: Vielfalt nach innen – Einheit gegenüber außen. Wir müssen lernen, mit der Vielfalt Europas auf eine konstruktive Weise umzugehen. Der Umgang der Europäischen Union mit Ungarn könnte dafür zum Testfall werden.

HINWEIS: Die Langfassung des Vortrags von Prof. Theisen ist auf Anfrage gerne erhältlich.

Heinz Theisen, Selbstbehauptung. Warum wir Europa und den Westen begrenzen müssen, Reinbek 2022.

Eine neue Friedensallianz? Papst Franziskus in Ungarn

Eine Nachbetrachtung von Bence Bauer*

Der mit Spannung erwartete dreitägige Papstbesuch vom 28.-30. April 2023 dürfte als diplomatische, geistige und geistliche Bestätigung der Ungarn verstanden werden. Der Heilige Vater betonte den wichtigen Beitrag von Ungarn für Europa und setzte wichtige Wegmarken.

Als am Freitagvormittag der päpstliche Flieger auf dem Flughafen Budapest aufsetzte, war die Spannung mit Händen zu greifen. Das ganze Land war im Papstfieber, die vielen Programmpunkte des Papstes wurden während der Reise von einer großen Anzahl von Gläu­bigen verfolgt und nachgerade verwunderlich mutet an, dass auch linke Politiker der Opposition Gefallen am Pontifex maximus gefunden haben. Dieser Besuch von Franziskus war seine zweite Reise nach Ungarn, aber bereits die dritte Zusammenkunft des Papstes mit den ungarischen Gläubigen.

Während er im Juni 2019 auf der traditionellen Wallfahrt ungarischer Pilger im siebenbürgischen Schomlenberg bei Szeklerburg (Rumänien) die Abschlussmesse zele­brierte, war er anlässlich des Eucharistischen Kongresses im September 2021 nur für einige Stunden in Budapest, was damals für einige Missverständnisse sorgte. Umso mehr kann sein Besuch im April 2023 als ein Hochamt für alle Ungarn verstanden werden, denn das Land, seine Ge­schichte und sein Geistesleben standen nunmehr un­mittelbar im Mittelpunkt. Dabei machte der Papst einige bemerkenswerte Aussagen, die von seiner Tiefen­kenntnis der ungarischen Geschichte und Gesellschaft zeugen.

Ungarn ist kein rein katholisches Land
Anders, als vermutet ist Ungarn allerdings kein rein katholisches Land. Dem Katholizismus kommt nicht der hohe Stellenwert zu, als etwa in Österreich, Polen oder Kroatien. Begründet liegt dies in der wechselvollen Geschichte des Landes, in der die Reformation eine wichtige Rolle spielte. Ungarn wurde als Kernland der Reformation wahrgenommen, während der Zeit der türkischen Besatzung galt das Fürstentum Siebenbürgen und die dort besonders stark ausgeprägte Reformation als Unterpfand der ungarischen Staatlichkeit. Noch heute sind im Land neben 37% Katholiken etwa 12% Calvi­nisten, allen voran die politische Führung des Landes. Neben Ministerpräsident Viktor Orbán gehören auch Staatspräsidenten Katalin Novák, Parlamentspräsident László Köver, Kanzleramtsminister Gergely Gulyás und viele weitere führende Politiker diesem Glauben an. Umso bemerkenswerter ist, dass der würdevolle und symbolbehaftete Besuch von Papst Franziskus einen derart enormen Anklang fand. Beim militärisch-zeremoniellen Empfang des Papstes durch die Ver­fas­sungs­organe war die gesamte Führung des Landes vertreten. Auch im späteren begleitet die Staats­präsi­dentin den Gast aus dem Vatikan – für Katalin Novák als gläubige Calvinistin eine Selbstverständlichkeit.

 

Hohe Erwartungen
Im Vorfeld der päpstlichen Visite wurde von der ungarischen Regierung immer wieder eine möglichst rasche Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen im Ukrainekrieg angemahnt. Das Land ist gegen Waffen­liefe­rungen, da diese nur den Krieg und das Leid der Zivil­be­völ­ke­rung prolongierten, so das Argument der Ungarn. Mit dieser Position ist das Land in Europa, nicht aber in der Welt, relativ allein. Nur der Vatikan steht auf dem­sel­ben Stand­punkt. Umso mehr war im Vorfeld der Papst­reise die Ver­mu­tung geäußert worden, es könnten neue Impulse für Frie­dens­ini­tia­tiven gesetzt werden. Ebenso wurde im Regie­rungs­lager antizipiert, der Papst könnte ein Bekenntnis zur markanten Familien- und Gesell­schafts­pol­itik der Ungarn ablegen, die im europa­­weiten Ver­gleich als beson­ders konser­vativ und werte­orientiert gilt. Das Land sieht sich als bewussten Gegenentwurf zur linken und woken Identitäts- und Gesell­schafts­politik und stellt die För­de­rung von jungen Familien in den Mittel­punkt. Es schafft auch Bezugs­­punkte für eine Selbst­be­haup­tung des Landes in demo­gra­phi­scher, kultureller, religiöser, aber auch wirt­schaft­licher und geo­po­li­ti­scher Hin­sicht. Im Oppo­si­tions­lager hin­gegen wurde speku­liert, der Papst würde wo­mög­lich einige kri­tische Aus­sagen zur ungarischen Migra­tions­politik machen.

Vielfältiges Ungarn – vielfältiges Programm
Das Programm des Staatsgastes spiegelt die facetten­reiche Bild des Landes wider. Immer wieder betonte der Papst die multireligiöse und vielfältige Zusammen­set­zung des Landes. Nach dem staat­lichen Zeremoniell und den Vier­augen­ge­sprächen mit Staats­präsi­dentin Novák und Minister­präsi­dent Orbán wandte sich das Kirchen­­ober­­haupt mit einer fast halbstündigen Rede an die Amts­träger des ungarischen Staates. Er traf am Freitag­­abend in der St. Stephans Basilika die ungarische Geist­­lich­keit, besuchte eine Blinden­an­stalt, traf Arme und Flücht­linge und besuchte die in Ungarn tradi­tio­nell ver­­brei­­tete griechisch-katho­lische Kirche. Ebenso kam er mit Jugend­lichen zusam­men und mit den Ver­tre­tern von Wis­sen­schaft und Forschung. Zudem empfing er den grünen Ober­bürger­meister von Budapest, Gergely Karácsony.
Auch traf er sich mit Hilarion Alfejew, dem Metro­po­liten der russisch-ortho­doxen Kirche in Ungarn und vor­ma­­liger Außen­amts­chef des Patri­archats von Moskau. Insbe­son­dere diese, von der europä­ischen Öffent­lich­keit kaum beachtete, Be­ge­g­nung bestä­tigt den Ein­druck, der Papst verfolge eine intensive Friedensdiplomatie. Den Höhe­punkt seiner Reise bildete die unter dem freien Himmel zelebrierte Heilige Messe auf dem Kossuth-Platz vor dem ungarischen Parlamentsgebäude, dem Haupt­platz der Nation. Die unter strahlendem Frühlingswetter abge­haltene Messe lockte mehrere Zehntausdene Menschen an und wurde neben der Staatspräsidentin und dem Ministerpräsidenten von vielen ranghohen Vertretern aus Politik, Diplomatie, Verwaltung und Gesellschaft verfolgt.

 

Die Botschaften des Papstes
In seiner Rede vor den Amtsträgern bekräftigte der Papst sein Bekenntnis zum Glauben und hob die Besonder­heiten von Ungarn hervor. Er ermunterte die Ungarn, die Gegenwart und die Zukunft aktiv zu gestalten und in Europa mitzutun. Budapest mit seinen vielen Brücken symbolisiere ein Europa, das aus seiner Vielfalt heraus lebendig sei, „Europa braucht den Beitrag aller seiner Völker, ohne dass die Einzigartigkeit auch nur eines Volkes in Mitleidenschaft gerät“, so Franziskus. Dabei zitierte er unerwartet das ungarische Grundgesetz, wonach „die individuelle Freiheit sich nur im Zusammen­wirken mit anderen entfalten kann“ oder aber nach dem die ungarische „Nationalkultur einen reichhaltigen Beitrag zur Vielfalt der europäischen Einheit darstellt“. Nochmals unterstrich er den Wert der Freiheit, für die die Ungarn so oft kämpfen.
In seinen Worten lobte er ausdrücklich die ungarische „Geburts- und Familienpolitik“ und geißelte die Gender­ideologie als „ideologische Kolonisierung“, die die Unterschiede ausmerze und das Leben der Völker ignoriere. Europa verglich er mit der Budapester Kettenbrücke, denn der Kontinent könne seine Stabilität nur aus den konstituierenden Elementen ableiten. Hierbei sei der christliche Glaube unerlässlich und Ungarn könne ein „Brückenbauer werden, seinen besonderen ökumenischen Charakter ausnutzend“, so das Kirchenoberhaupt. In Ungarn lebten nämlich viele Konfessionen respektvoll, konstruktiv und ohne Animositäten zusammen. Dabei erwähnte der Papst auch die einmalig große jüdische Gemeinde, die vielen verschiedenen in Ungarn lebenden Volksgruppen (insgesamt sind es 13 Nationalitäten), aber auch die oft vom westlichen Ausland vergessenen Auslandsungarn jenseits der Landesgrenzen, insbesondere in den an Ungarn grenzenden Ländern. Er sprach zudem seinen Dank für das Programm der ungarischen Regierung für die Hilfe von verfolgten Christen (Hungary Helps) aus, aber auch für die menschliche Aufnahme der aus der Ukraine geflohenen Kriegsflüchtlingen durch die Ungarn.
Im letzten Teil seiner Rede zitierte er die Ermahnungen des Heiligen Stephan an seinen Sohn Emmerich, Fremden offenherzig zu begegnen, denn sie würden das Land reicher machen. Hierbei unterstrich er die Relevanz dieser Frage für die Christenmenschen, nichts anders als der Heilige Stephan würde auch heute gelten. Die zentrale Botschaft war aber eindeutig das Bekenntnis zum Frieden. Der Heilige Vater tadelte den „kriegerischen Infantilismus“ und bezichtigte die Politik, die Schrecken des Krieges vergessen zu haben, stattdessen Emotionen anzuheizen, aber nicht Probleme lösen zu wollen. Die Botschaft der Heiligen Messe war eine ähnliche: Krippen, nicht Särge seien notwendig und eine Politik der offenen Türen. Wieder einmal betont der Pontifex maximus das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen in Ungarn.

Fazit
Der Papstbesuch war in organisatorischer Hinsicht eine Meisterleistung. Ganz Ungarn fieberte dem Besuch entgegen und die Budapester ließen sich die vielen Straßensperrungen gefallen – diese waren ja für den guten, heiligen Zweck. Doch auch in inhaltlicher Hinsicht konnte der Besuch von Franziskus überzeugen, denn die Visite vereinte die Ungarn im In- und Ausland. Insbesondere die freundliche, verbindliche, authentische Rolle der jungen Staatspräsidentin wird auch im Ausland als Bereicherung wahrgenommen. Regierung wie Opposition verband das Bestreben, den hohen Besucher mit Würde zu empfangen. Dabei achteten aber beide Seiten auf die ihnen genehmen Botschaften des Heiligen Vaters.

Nichtsdestotrotz konnte die Regierung um Minister­präsident Viktor Orbán international wichtige Punkte machen. In den relevanten Fragen von Familie und Gesellschaft zeigt sich einige große Einigkeit mit Papst Franziskus, der ferner über das erwartbare Maß hinaus die Vielfalt, den Freiheitsgeist und die Brückenfunktion von Ungarn in das Schaufenster stellte. Ebenso sind Friedensappel und Friedensinitiativen des Papstes bemerkenswert, denn damit zeigt sich eine große Übereinstimmung mit der Politik und dem Verständnis des in Europa völlig zu Unrecht als isoliert geltenden Landes, welches aber international wohl eher der Mehrzahl der Länder . Dass dieser Aufruf ausgerechnet in Budapest erfolgte und auch noch durch den Heiligen Vater, sollte einige Kritiker doch zu denken geben. Ein Europa in Vielfalt, mit vielen verschiedenen Meinungen, die aber am Ende doch zu einem Miteinander in Frieden zusammenkommen müssen – auch das ist die Frohe Kunde vom Papstbesuch in der ungarischen Kapitale.

*Der Artikel ist am 1. Mai 2023 im Meinungsmagazin »Tichys Einblick« erschienen.
Autor Bence Bauer ist Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusam­men­arbeit am Mathias Corvinus Collegium in Budapest/Ungarn.

Auf den Spuren des deutschen Erbes in Ungarn - Von Pesth über Ofen bis nach Wudersch

Ein Beitrag von Kinga Dörstelmann-Fodor

In der Geschichte Ungarns und damit Budapests kommt den auf dem Gebiet des Karpaten­beckens lebenden Deutschen eine wichtige Rolle zu. Aufzeichnungen zufolge kamen die ersten deutsch­sprachigen Siedler zusammen mit Königin Gisela in Ungarn an. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte festigten sich die Ansiedlungsbewegungen aus den deutschsprachigen Sprachgebieten und führten daher zu einer mal größeren, mal kleineren, aber konstanten Einwande­rung. Gewisse historische Ereignisse – wie der Tataren­zug oder der Sieg über die Türken – verliehen der Migration aus den deutschen Ländern einen neuen Schwung, da die wegen der Kriege entvölkerten Gebiete neu bevölkert werden sollten. Gegen Ende des 17. Jahr­hunderts nahm infolge der Vertreibung des osmanischen Heeres die erste organisierte Ansiedlungswelle nach Ungarn ihren Anfang.
Im Rahmen dieser Welle kamen aus den süd­deutschen Gebieten, in erster Linie aus Schwaben, neue Bewohner nach Ungarn. Zu dieser Zeit entstanden viele schwäbische Siedlungen im Umland von Budapest – von daher stammt auch die für die Ungarn­deutschen im Allgemeinen verwendete Bezeichnung Schwaben, die sich auch in den Sprachen der anderen Völker des Donau­raum etablierte.

Rückgrat der städtischen bürgerlichen Handwerker- und Händlerklasse
Im mittelalterlichen Buda (von den Deutschen früher Ofen genannt) und Pest (Pesth) waren die deutschen Bewohner den anderen Nationalitäten gegenüber in der Überzahl. Sie bildeten das Rückgrat der städtischen bürgerlichen Handwerker- und Händlerklasse, wodurch sie eine bedeutende Rolle bei der Stadtentwicklung und später bei der Industrialisierung spielten. Die Wohn­häuser und Kirchen der Deutschen in Pesth wurden entlang der bedeutenden Hauptstraßen gebaut. Das findet sich auch in den – später magyarisierten – Namen öffentlicher Plätze wieder, wie etwa im Falle des Waitzener Thors, des Serviten Gässls oder der Herrn Gasse. Es ist eine durchaus bemerkenswerte Tatsache, dass sich die Reste der mittelalterlichen Stadtmauer, auf den Straßen von Budapest spazierend, auch heute noch beobachten lassen: Ein Beispiel dafür ist der Spielplatz bei der Kreuzung der Bástya-Straße und der Veres-Pálné-Straße, wo die alte Steinmauer und die in die Wand des Nachbarhauses eingebauten Schießscharten sichtbar sind.

Die deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit von Pesth und Buda bestand bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Deutschen von Budapest, die auch vonseiten des Wiener Hofs unterstützt wurden, hatte zudem eine bedeutende Rolle bei der Stadtverwaltung inne. Auf diese Weise waren der Stadtrichter, der Bürgermeister und die Mit­glieder des Stadtrates oftmals deutscher Herkunft, wodurch die Aneignung des Deutschen als der führen­den Sprache Budapests auch für die ungarischen Bürger eine Pflicht war.

Unterschiedliche deutsche Dialekte
Neben der Hochsprache wurden in Pesth 37 und in Buda 50 unterschiedliche deutsche Dialekte gesprochen. Das veranschaulicht, wie vielfältig die Bevölkerung der ungarischen Städte damals war.
Dass Pesth in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum wirt­schaftlichen, kulturellen und politischen Zentrum des Königreichs Ungarn wurde, ist teilweise den Aktivitäten der Deutschen zu verdanken. Sie gründeten nämlich zahl­reiche bedeutsame Hotels, Restaurants, Theater und Druckereien. Von dieser Epoche zeugen mehrere Unter­nehmen, die auch heute noch in Budapest besucht werden können, wie das Restaurant Gundel, die Schoko­ladenfabrik Stühmer oder die Bierbrauerei Dreher. Solange die Monarchie bestand, galt neben dem Gast­gewerbe auch die Architektur als typisch deutsche Profession.

Stadtbildprägung
Das Stadtbild von Budapest wurde von Meistern, Hand­werkern und Architekten deutscher Nationalität und Abstammung elementar geprägt.
Aus dem Sudetenland kam der Architekt Johann Hild (ca. 1760-1811) nach Ungarn, der das erste offizielle, vom Palatin Joseph initiierte Stadtentwicklungsdokument von Budapest, den Verschönerungsplan, schuf und zum Teil durchführte. Der Verschönerungsplan beinhaltete den Grundriss des heutigen Vörösmarty-Platzes und des József-Nádor-Platzes wie auch Entwürfe für den Bau klassizistischer Paläste am Donauufer.
Das Werk von Johann Hild wurde von seinem bereits in Ungarn gebo­renen Sohn József Hild (1789–1867) weiter­ent­wickelt.

Architekt József Hild

Ihm sind u.a. das Palais Gerbeaud auf dem Vörösmarty-Platz, das Haus Károlyi-Trattner auf der Petőfi-Sándor-Straße oder das Gross-Haus am József-Nádor-Platz zu verdanken. Darüber hinaus begannen auch die Bauarbeiten an der St.-Stephans-Basilika auf der Grundlage seiner Entwürfe.
Zahlreiche weitere ikonische Gebäude der Stadt lassen sich mit dem Namen von Michael Pollack (1773–1855) in Verbindung bringen, der aus Wien nach Ungarn über­siedelte. Hierzu zählen etwa die evangelische Kirche auf dem Deák-Platz, das Palais Sándor in der Burg, das Ludoviceum, das Schloss Festetics sowie das Ungarische Nationalmuseum.
Den damaligen Stadtplan betrachtend ist es leicht nach­vollziehbar, welche rasante Entwicklung ab dem Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahr­hunderts in Budapest stattfand.
Nach 1786 wurde nördlich der alten Stadtmauer ein neuer Stadtteil aufgebaut, der anlässlich der Krönung von Leopold II. den Namen Leopoldstadt bekam. Der Bau der 1787 entstandenen Schiffbrücke, die durch eine Ver­kettung von Schiffen den Übergang zwischen Ofen und Pesth noch weit vor dem Bau der Kettenbrücke sicherte, wirkte sich auf die Entwicklung der Gegend sehr be­lebend aus. Auf dem Stadtplan können wir zahlreiche, heute nicht mehr stehende, Gebäude sehen, die vom ehemaligen kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Deutschen zeugen. Ein Beispiel dafür ist das Deutsche Theater Pest (Pesti Német Színház), das sich auf dem heutigen Vörösmarty Platz befand und über die größte Kapazität unter den europäischen Theatern seiner Zeit verfügte.
Ein anderes Beispiel ist das Neugebäude (Újépület), das ursprünglich als Volkswohlfahrtsinstitution, dann als Kaserne und Gefängnis diente und nach dessen Abriss dort später der Freiheitsplatz entstand. Es ist ebenfalls aufschlussreich, einen Blick auf die Namen der öffent­lichen Plätze des Stadtplanes zu werfen, von denen viele auch heute noch den ursprünglichen deutschen Sinn bewahrt haben, wenngleich in ungarischer Form. Zum Beispiel gehören hierzu die Alte Postgasse, die als eine Station der Postkutsche nach Wien fungierte, oder die den Namen des ehemaligen Stadtrichters tragende Karpfensteingasse.

Magyarisierungspolitik
In den 1890-er Jahren bekannten sich bloß nunmehr 13% der Bevölkerung des bereits aus seinen beiden Stadt­teilen Ofen und Pesth vereinigten Budapests als Deutsche. Dies lässt sich einerseits auf die natürliche Assimilation, andererseits auf die sich seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verstärkende Magyarisie­rungspolitik zurückführen. Die Magyarisierung hatte hingegen auf die in der Gegend von Budapest lebenden Schwaben einen geringeren Einfluss, sodass dort mehrere auch heute noch auffindbare Denkmäler das Erbe ihrer früheren Gemeinschaften bewahren. Ein Beispiel hierfür ist das zum 2. Bezirk von Budapest gehörende Hidikut (Pesthidegkút), in dessen Altdorf sich die ursprüngliche schwäbische Kirche und ein unver­fälschtes Stückchen des Dorfes besichtigen lassen. Eine ebenfalls bedeutende schwäbische Bevölkerung lebte auf dem Gebiet des heutigen zum 22. Bezirk gehörenden Budafok (Promontor) bzw. Budatétény (Kleinteting) und des zum 23. Bezirk gehörenden Soroksár (Markt). In der Bevölkerung der zuvor florierenden schwäbischen Dörfer richteten die Aussiedlungen nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch unumkehrbare Schäden an.

Vertreibungen
Zwischen 1946 und 1947 wurde zum einen ein Teil der ungarndeutschen Bevölkerung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, zum anderen wurden viele Donauschwaben nach Deutschland vertrieben.
Trotz der Vertreibungen bewahren zahlreiche ungarische Familien bis heute die Traditionen ihrer deutschen Vorfahren.
Der Vertreibung der Ungarndeutschen gedenkt das in Soroksár im Jahre 2016 aufgestellte Denkmal des Bild­hauers Sándor Kligl, das den Namen »Elűzetés« (Ver­treibung) trägt. Das Denkmal stellt ein Kind mit seiner Mutter dar – des Vaters beraubt –, wie sie von ihrer geliebten Heimat in den letzten Momenten vor ihrer Aussiedlung Abschied nehmen.

Foto: © ittlakunk.hu – Denkmal Elűzetés/Vertreibung

Die Ungarndeutschen – deren Zahl landesweit auf rund 180.000 geschätzt wird – sind momentan eine der be­deutendsten Minderheiten in Ungarn.
Die Weitergabe und die Bewahrung der deutschen Sprache wie auch der Traditionen werden durch ein breites institutionelles System ermöglicht.
Eine der bedeutendsten Einrichtungen ist das in der Nähe des Heldenplatzes liegende Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum, das mit deutsch­sprachigen Aus­stellungen, Puppentheatern, Filmvor­führungen, Kon­zer­ten und Festivals zur Popularisierung der Nationali­tä­tenkultur beiträgt.
Wir könnten ebenso das landesweite Netzwerk der Natio­nalitäten­kinder­gärten, -schulen, -theater und -bibliotheken erwähnen, dessen Ziel es ist, dass auch die neue Generation die Kultur ihrer Vorfahren kennenlernen kann.  Die erhalten gebliebenen geistigen Überlie­fe­rungen und materiellen Denkmäler der deutschen Nationalität werden in zahlreichen ungarischen Museen bewahrt.
In der unmittelbaren Nähe von Budapest können wir im Jakob Bleyer Heimatmuseum zu Wudersch in die Geschichte und Wohnkultur der Schwaben in der Gegend von Budapest eintauchen. Für diejenigen, die sich für die Geschichte der Ungarndeutschen interessieren, ist es unbedingt empfohlen, das Ungarndeutsche Museum in Tata zu besuchen, welches auf 500 m² die Kultur und die Lebensweise der Ungarndeutschen vorstellt.

Deutschland im Wandel: Politik, Medien, Gesellschaft

Ein Veranstaltungsbericht von Kinga Fodor


 

Am 10. Oktober 2022 fand eine Podi­ums­dis­kus­sion mit dem Titel »Deutschland im Wandel: Politik, Medien, Gesellschaft«  statt, die gemein­sam vom MCC-Bil­dungs­zen­trum in Debrecen und dem Deutsch-Ungarischen Institut orga­ni­siert wurde und an der rund 90 Personen teil­nah­men.
Die Refe­ren­ten der Dis­kus­sion waren Dr. Gerhard Papke, Präsi­dent der Deutsch-Ungarischen Gesell­schaft in der Bundes­repu­blik Deutschland und ehe­mali­ger stell­ver­tre­ten­der Präsi­dent des nord­rhein-west­fälischen Land­tags, sowie Frank Spengler, exter­ner Berater des Deutsch-Ungarischen Insti­tuts und ehe­maliger Leiter des Aus­lands­büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ungarn. Mode­riert wurde das Gespräch von Kinga Dörstelmann-Fodor, Projekt­lei­terin am Deutsch-Ungarischen Institut.

Im Mittel­punkt der Podiums­diskus­sion standen die innen- und außen­poli­tischen Pläne der 2021 gewählten Bundes­regie­rung und deren bis­heri­gen Erfolge. Zu den disku­tierten Themen gehörten die Reaktion der Bundes­regie­rung auf den Krieg in der Ukraine, die aktuelle Ein­wande­rungs­politik, die Energie­poli­tik, die Europa- und Sicher­heits­politik sowie deren Rezeption durch die deutschen Wähler.

Beide Refe­renten waren sich einig, dass der Krieg in der Ukraine die ursprünglich sehr ehr­geizige Agenda der Bun­des­­regie­rung umge­schrie­ben hat. Frank Spengler wies darauf hin, dass die Energie­krise nicht nur die Familien, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft betreffe: Die stei­genden Energie­preise gefähr­deten die gesamte deutsche Industrie und wirkten sich natürlich auf die gesamte Gesell­schaft aus. Nach Ansicht von Gerhard Papke versuche die derzeitige Bundes­regie­rung jedoch, die Krise eher ideolo­gisch als inte­ressen­geleitet zu bewäl­tigen, was sich oft in inkonse­quentem Handeln äußere.

Zur aktuellen deutschen Partei­politik erläuterte Papke, dass die FDP in der Ampel­koali­tion ihre eigent­lichen Stärken nicht aus­spielen könne und in vielen Fragen ihre bürger­liche Position aufge­ben müsse, da für sie in einer links domi­nierten Koali­tion kein Platz sei. Aus all diesen Gründen, so Papke, hätte die Partei im ver­gan­genen Jahr an Unter­stützung einge­büßt. In Bezug auf die CDU betonte Spengler, dass die Oppo­sitions­rolle eine interne Erneu­erung der Partei mit sich bringe, die aber noch lange nicht abge­schlos­sen sei: »Es werden neue ikonische Politiker benötigt, die ein mög­lichst breites Spektrum der verschie­denen Wähler­schich­ten der CDU reprä­sen­tieren«.
Was den Krieg zwischen der Ukraine und Russland betrifft, so waren sich beide Redner einig, dass der Dialog mit Russland trotz des bewaff­neten Kon­flikts nicht unter­brochen werden sollte. Papke betonte die Not­wen­digkeit, an die Nach­kriegs­zeit zu denken und die Zusam­menar­beit mit Russland trotz der schreck­lichen Kriegs­ver­brechen fort­zu­setzen, ähnlich wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in die euro­päische Gemein­schaft integriert wurde. Laut Spengler findet im Westen Europas eine Energie­wende statt, die es der EU schließlich ermög­lichen würde, sich von russischen Energie­quellen zu lösen, doch sollten die Bezie­hungen nicht einge­froren werden. Seit dem Aus­bruch des Krieges hat sich gezeigt, dass einige der Sank­tionen gegen die russische Energie­ver­sor­gung unwirk­sam seien. Papke sagt, dass einige der tech­ni­schen Sank­tio­nen zwar tat­säch­lich wirksam gewe­sen seien, man aber auch erkennen müsse, dass andere Sank­tionen Europa mehr schaden würden als Russland.
Die Themen Energie- und Sicher­heits­politik stießen bei den Zuhörern auf das größte Interesse und es fand ein reger Meinungs­aus­tausch zwischen den Refe­ren­ten und Teil­neh­mern statt.

Deutsch-Ungarische Sicherheitspartnerschaft

September 2022 | Ein Veranstaltungsbericht erschienen im Meinungsmagazin »Tichys Einblick«

Im Verbreiten von schlechten Nach­richten über Ungarn erklimmen die Regierenden in Deutschland und Brüssel immer neue Höhen. Fairness gegenüber einem Mitgliedsland der Euro­pä­ischen Union gibt es längst nicht mehr. Ganz im Ge­gen­satz dazu gewannen dieser Tage bei einer Ver­an­staltung in der ungarischen Botschaft zu Berlin die Teil­neh­mer überraschend positive Erkenntnisse.

Die Deutsch-Ungarische Gesellschaft (DUG) hatte eingeladen, mit Experten und gut 70 Gästen über »Die deutsch-ungarische Sicher­heits­partner­schaft – Stand und Perspektiven« zu diskutieren. Schließlich habe der russische Angriff auf die Ukraine schlagartig den Blick dafür geschärft, wie bedeutend die militärische Zusammenarbeit in der Nato, aber auch zwischen den europäischen Bündnispartnern für die gemeinsame Verteidigungsbereitschaft ist, so die Organisatoren. Denn die deutsch-ungarische Sicher­heits­partner­schaft sei dafür ein bedeutender Baustein.
DUG-Präsident Gerhard Papke betonte, immer weniger seien bereit die negative Berichterstattung über den EU-Partner hinzunehmen.

Brüsseler Arroganz treibt Europa auseinander
In dem Zusammenhang kritisierte er wenige Tage vor der Veranstaltung, dass eine Mehrheit im EU-Parlament sich leider in den letzten Jahren immer wieder zu diffamierenden Äußerungen über Ungarn habe hinreißen lassen. Die jüngst verabschiedete Erklärung, Ungarn den Demokratie-Status abzusprechen und als »Wahlautokratie« zu bezeichnen (was immer das auch sein solle), »ist ein neuer trauriger Höhepunkt dieser Kampagne!«
So halte man die EU in einer Zeit historischer Heraus­forderungen nicht zusammen, sondern spalte sie.
Papke warnte noch einmal vor den Teilnehmern in Ungarns Botschaft: »Brüsseler Arroganz treibt Europa auseinander.« Brüssel wolle vorschreiben, »wie wir in Europa zu arbeiten und zu leben haben«.

Der Botschafter von Ungarn in Deutschland, Péter Györkös, zeigte sich an dem Berliner Abend diplo­matisch, denn man sei mit der EU-Kommission in konstruktivem Dialog. Dennoch fragte Györkös: »Warum versteht keiner, dass Ungarn der beste Partner bei der Verteidigung Europas ist?« Schließlich habe sein Ministerpräsident Viktor Orbán weitgehend unbeachtet von der Presse-Öffentlichkeit schon während des Brexit Großbritanniens gemahnt: »Wir brauchen eine europäische Armee.« Das sei aber nie breit zitiert worden. Denn die wichtige Frage sei, kann Europa überhaupt seinen eigenen Anteil für die Sicher­heit leisten – ohne die USA und Großbritannien?
Botschafter Györkös erinnerte bei der Sicherheits­partnerschaft daran, dass der Umbau der unga­rischen Armee mit Bundeswehr und deutscher Rüstungs­industrie erfolgte. Bei Ungarns langjähriger Rüstungs­partnerschaft stünde Deutschland sogar vor den USA. Rheinmetall habe ein Joint Venture in Ungarn für die Errichtung eines neuen Munitions­werkes. In Europa gibt es nur sehr kleine Muni­tionsvorräte.
Zudem erfuhren die Gäste in der Botschaft von Györkös: »Ungarn schützt die Nato- Ostflanke, ungarische Kampfjets schützen die baltischen Länder.« Sie hätten schon mehrfach russische Düsenjäger vertrieben. »Wir reden nicht, wir handeln«, betonte Györkös zum Schluss.

Ungarns Generalmajor Sándor Fucsku (im Bild), heute Verteidigungs-, Heeres- und Luftwaffen­attaché, erläuterte, dass seine Luftstreitkräfte mit ihren Gripen-Jets schon zum dritten Mal für die Nato beim »Air Policing Baltikum« seit August bis Ende des Jahres Streife fliegen – in einem rotie­renden System gemeinsam mit deutschen und italienischen Piloten. Darüber können sich deutsche Leser meist nur auf Nato-Seiten im Internet informieren.

Generalmajor Fucsku ist wie viele ungarische Offiziere gleich nach dem Mauerfall als junger Hauptmann an deutschen Bundeswehreinrichtungen ausgebildet worden.

»Viele ungarische Generäle sprechen daher Deutsch und nicht nur Englisch«, berichtete Fucsku, der seit 1999 in der Nato stellvertretender Befehlshaber des »Multinationalen Kommandos Operative Führung« in Ulm war.
Auch in umgekehrter Richtung läuft die Sicherheits­partnerschaft von Ungarn und Deutschland sehr gut. Insofern kann auch Oberstleutnant a.D. Uwe Patz, ehemaliger Austauschoffizier der Bundeswehr im Führungsstab der Streitkräfte Ungarns die einseitigen Berichte über das EU-Partnerland nicht verstehen. Patz teilte in einer Mail dem Präsidenten der DUG mit: »In meiner gesamten Dienstzeit in Ungarn konnte ich viele gute Erfahrungen und Erkenntnisse über das Land und die Leute sammeln. Diese Erfahrungen sind nicht die gleichen, welche unsere deutschen Medien zuhause verbreiten und senden«, zitierte Gerhard Papke die nachdenklichen Zeilen seines Gastes.

Europa kann keine „große Operation“ allein durchführen.
Patz berichtete den Gästen in der Botschaft über die faire Aufnahme im Führungsstab von Ungarns Armee mit rund 30.000 Soldaten. Er wäre dort in der Zeit von 2011 bis 2020 anfangs der einzige Ausländer gewe­sen. Immerhin lernte er dabei Ungarisch.
Oberstleutnant Patz mahnte nach seinen Erfahrungen im Führungsstab die notwendige Zusammenarbeit in Europa an. Denn keine andere Nation als die USA oder China könnten eine »große Operation« alleine lange durchführen. Deswegen müsse Europa seine militärischen Ressourcen zusammenführen. Ex-Aus­tausch­offi­zier Patz nannte dafür ein Beispiel: Inzwi­schen gäbe es ein Nato-taugliches deutsch-ungarisch-kroatisches Tanklager, um Militärfahrzeuge und Flugzeuge in Europa gemeinsam zu versorgen.

Doch so viel gute Zusammenarbeit scheint den Bürokraten in Brüssel unter Führung von Kom­mis­sions­­chefin Ursula von der Leyen völlig egal. Demokratie ist nur das, was sie dafür halten. Diese Arroganz und der ständig erhobene Zeigefinger gegen­über Mitglieds­staaten wird immer unglaub­wür­diger, wenn man allein die Zustände der »Wahl­demo­kratie« in der Bundes­hauptstadt Berlin von Ursula von der Leyens Heimat betrachtet. Darauf verwies zu Beginn der Veranstaltung DUG-Präsident Papke.
Dort hat selbst das Verfassungsgericht bereits ver­lau­ten lassen, »die Wahlen zum Abge­ordne­ten­haus und den BVVen insgesamt für ungültig zu erklären.«
Also die Landes- und Kommunalwahlen sowie oben­drein wohl noch zahlreiche Wahlkreise der Bundes­tagswahl von 2021 müssen wiederholt werden.

Was für ein Hammer und eine weltweite Blamage für Ursula von der Leyens Demokratie. Denn in Deutschlands Hauptstadt regiert nicht Ungarns Premier Viktor Orbán (Fidesz), sondern Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD in Tateinheit mit Grünen und SED-Erben alias Linkspartei.
Die dokumentierten Wahlpannen, so das Berliner Verfassungsgericht, seien nur die »Spitze des Eisbergs« in einer rot-rot-grün regierten Hauptstadt des moralisch so hoch über Ungarn stehenden Deutschlands. Die Zustände von Berlins Wahlabläufen gleichen inzwischen denen einer Bananen-Republik, kommentieren Beobachter voller Ironie.
Insofern sind viele Berichte über Demokratiedefizite Ungarns an Einseitigkeit kaum noch zu überbieten.

Freundschaftliche Verbindungen mit Tradition und Herzblut

September 2022 | 300 Jahre Stift-Fuldaer »Stifoller« in Südungarn

Lange Jahre werden die Verbindungen zwischen dem Fuldaer Land und der Baranya in Südungarn gepflegt. Über die Hintergründe und das Stilfoller Fest anlässlich der 300 jährigen Ansiedlung deutscher Auswanderer in Nimmesch/Himesháza ein Bericht von Berthold Jost.

Mitglieder der deutschen Selbstverwaltung und des Stilfoller Freundeskreises am Denkmal Ulmer Schachtel/Heldenplatz in Nimmesch/Himesháza

Rund 100 Gäste aus Rasdorf und dem Landkreis Fulda machten sich am ersten Septemberwochenende auf den Weg in die ungarische Partnergemeinde Nimmesch (Himesháza), um ein 300-jähriges Jubiläum zu feiern.
Zu den Hintergründen: Im Jahr 1983 begann eine neue Epoche zwischen den Stifollern in der Baranya in Süd­ungarn und der Heimat ihrer Vorfahren im Fuldaer Land, in Rhön und Vogelsberg. Stifoller sind die aus der Ur­hei­mat Hochstift Fulda nach Ungarn ausgewanderten Bewohner.
Im Oktober 1983 begaben sich 77 Personen mit einem Doppeldeckerbus auf den 1.100 km langen Weg nach Südungarn. Ziel war das Stifoller Dorf Nimmesch / Himesháza. Ein 1982 in Fulda gegründeter »Stifoller Freun­deskreis« hatte die Fahrt organisiert. Zurück im Fuldaer Land angekommen, gab es dann Überlegungen, wie die Verbindungen zwischen Nimmesch und dem Fuldaer Land auch künftig erhalten bleiben können. In Kenntnis des Reno­vierungs­bedarfs der Sierer/Szúrer Kirche, die in der Einwandererzeit erbaut wurde, hatte sich der »Stifoller Freundeskreis«, zum Ziel gesetzt hat, im Fuldaer Land Spenden zu sammeln, um die Reno­vierung durchzuführen. Es konnten ca. 50.000 DM gesammelt und die Renovierung im Sommer 1987 abgeschlossen werden. Der heimische Bischof Dr. Josef Cserhati nahm ge­mein­sam mit dem ehe­maligen Fuldaer Bischof Prof. Dr. Eduard Schick am 4.­ Oktober 1987 unter großer Be­tei­ligung der heimi­schen Bewoh­ner und über 150 Gästen aus der Urheimat an dem Kirchweihfest in Sier/Szür teil.

Gottesdienst am Kirchweihsonntag in deutscher und ungarischer Sprache (Kirche Nimmesch)

Reger Austausch in den Folgejahren
In den Folgejahren besuchten sehr viele Bewohner, Vereine, Reisegruppen, Schulkassen, Orchester und Organisationen aus dem Fuldaer Land verschiedene Stifoller Dörfer. Umgekehrt fuhren auch immer wieder viele Stifoller in die Urheimat.
So fand 1986 in Petersberg ein großes Stifoller Treffen mit Bewohnern aus Stifoller Dörfern in Ungarn und Vertriebenen, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden hatten, statt. Daraus entwickelte sich auch die Partnerschaft zwischen Nimmesch und Rasdorf, die 1989 offiziell durch die damaligen Bürgermeister Georg Hübner und Berthold Jost besiegelt wurde.
Der Vorstand der Deutschen Selbstverwaltung in Nimmesch begann im Herbst 2021 mit den Planungen eines Stifoller Festes aus Anlass der Ansiedlung der Stifoller vor 300 Jahren in Nimmesch. Für den Stifoller Freundeskreis war dies Anlass, sich mit einem Beitrag bei diesem Jubiläum zu engagieren. Es wurden mehr­tägige Reisen für Bewohner des Fuldaer Landes und für das Orchester der Lichtbergschule Eiterfeld orga­nisiert. Die Verbundenheit und die bestehenden freund­schaftlichen Verbindungen sollten damit bekundet und nachhaltig verstärkt werden.

Fekeder Kapelle vor Ort.
Fekeder Kapelle vor Ort.

Es war geplant, dass sich die verschiedenen Stifoller Dörfer in der Branau und Tolnau mit ihren Kultur­gruppen präsentieren sollten. Die Urheimat der Stifoller wollte sich hier auch beteiligen. So die Idee von Friedhelm Bott, ehemaliger Direktor der Licht­berg­schule Eiterfeld, für ein musikalisches Stück »So sen mr dohar komme« aus Anlass der Erinne­rungs­feiern »300 Jahre Ansiedlung in Nimmesch«. Die Grundlage zur Idee fand sich auch in dem Buch Vadalma, vadalma, magva de kerserü! (A magyarországi németek népköltése), dessen Beiträge von Karl Manherz zusammengestellt wurden.

Für diesen musikalischen Beitrag konnten Schüle­rinnen und Schüler der Lichtbergschule Eiterfeld gewonnen werden, die aktiv in dem Schulorchester musizieren und singen. Unterstützung fanden sie durch Andreas Kramm und die Mädchengruppe aus Nimmesch. Dirigentin ist Michaele Schoeler.
Zoltán Schmidt, Büroleiter der Landes­selbst­verwal­tung der Ungarndeutschen in der Branau, begrüßte die Besucher im vollbesetzten Kulturhaus in Nimmesch und erinnerte an die Ansiedlung der Stifoller und über die intensiven Kontakte zwischen den Stifollern in der Region und in der Urheimat.

Friedhelm Bott führte in die »Musikalische Erin­nerung« ein und begleitete die Hauptdarsteller – Andras und Anna – und das Orchester als Sprecher.
Das musikalische Stück bestand aus vier Akten: 1) Abschied aus dem Stift Fulda 2) Auf dem Weg nach Ungarn 3) Enttäuschung in der neuen Heimat 4) Unermüdliche Stifoller.
Diese 4 Szenen machen bewusst, wie beschwerlich und mühsam die Lebenswege der Kolonisten vor dreihundert Jahren waren. Nur mit Frömmigkeit, Bewahrung der Traditionen, der Sprache und mit immensem Fleiß konnten diese »steinigen Wege« gegangen werden, wurde nie die Hoffnung verloren!

Akteure der Lichtbergschule
Akteure der Lichtbergschule

Szenen der Lebenswege
In der ersten Szene wurde darüber berichtet, wie die Werber im Hochstift Fulda im Auftrag des Bischofs von Fünfkirchen und des Abtes von Pecsvarad tüchtige Menschen suchten, die das Land in Ungarn wieder nutzbar machen sollten. In der Rhön gab es nur karge Böden und den Bewohnern ging es nicht besonders gut. Die Werber preisen den armen Menschen eine gold´ne Zeit im Ungarnland an. Das »Ehepaar« Andras und Anna konnte überzeugt werden, ihre Rhöner Heimat zu verlassen.
Die zweite Szene wird der Weg nach Ungarn darge­stellt. Das junge Paar machte sich mit Arbeitskleidern, Leiterwagen, Ochs, Hahn, Huhn, Axt und Saatgut auf den Weg nach Regensburg. Mit der Ulmer Schachtel auf der Donau erreichte man das Ziel in der Branau.
In der neuen Heimat angekommen, so die dritte Szene, ein Schreck ist in Andras und Anna gefahren. All das was ihnen versprochen wurde, haben sie nicht vorgefunden. Hier kennt das Leben ein Gebot: Dem Ersten droht der frühe Tod, dem Zweiten bleibt die Hungersnot, dem Dritten erst schenkt er das Brot. Das Wetter lehrt den Siedler auch auf Gottes Gnad zu hoffen. Der Hergott wird´s schon richten.
Der vierte Akt zeigt, wie mit Fleiß und Ausdauer an den Aufbau des Hofes und die Bestellung der Äcker angegangen wird, damit der Lebensunterhalt gesichert wird. Hier wird auch an die Sitten und Gebräuche erinnert, die aus der alten Heimat mitgebracht wurden und in der neuen Heimat gepflegt werden. Zum Ende wurde das Lied »Nun danket all und bringet Ehr…« gemeinsam von den Mitgliedern des Orchesters und einer Mäd­chen­gruppe aus Nimmesch gesungen (Foto).

Gelungenes Miteinander
Im Anschluss wurde das Publikum noch vom Or­chester mit zeitgemäßer Musik unterhalten. An diesem Abend fanden darüberhinaus viele unter­haltsame Gespräche zwischen Nimmescher Bewoh­nern und den Gästen aus dem ehemaligen Stift Fulda in ihrem Dialekt statt.

Das Stifoller Dorf Feked war auch Ziel der Besucher­gruppe des Stifoller Freundeskreises und des Orches­ters. In diesem Dorf werden das dörfliche Leben und das Brauchtum aus der alten Heimat noch gelebt und gepflegt. Bürgermeister Peter Tillmann begrüßte mit der örtlichen Kapelle die Gäste, eine Führung in der Kirche und bei einem Rundgang im Dorf konnte man die Baukunst an den Häusern bewundern. Bei einem gemeinsamen Mittagessen im Kulturhaus konnten regionale Köstlichkeiten genossen werden.

Das Orchester der Lichtbergschule gestaltete einen Sonntagsgottesdienst mit und führte das Musikstück als Generalprobe auf. Im Rahmen der Feierlichkeiten fand in Nimmesch ein Gottesdienst statt. Konzelebranten waren der Nimmescher Pfarrer Joseph Erb und Probst Heinrich Josef Durstewitz als Teilnehmer der Reisegruppe. Probst Durstewitz erinnerte in seiner Predigt an die Verbindungen der Heiligen Elisabeth zwischen Ungarn und Thüringen.

In dem vollbesetzten Festzelt boten Gesangs-, Tanzgruppen und Darsteller aus Nimmesch, zahl­reichen Stifoller Dörfern und der Part­ner­ge­meinde Rasdorf Darbietungen in ihrer Mundart dar.
Dieses Stifoller Fest, an dem Besucher aus Rasdorf, das Schulorchester der Lichtbergschule Eiterfeld und die Besuchergruppe des Stifoller Freundeskreises gemeinsam mit den Nimmescher Bewohnern und aus den zahlreichen Stifoller Dörfern teilnahmen, wird dazu beitragen, dass die Verbundenheit zwischen Bewohnern in der Urheimat und in der Branau weiter gefestigt und erhalten bleibt.

Teilnehmer der vom Stifoller Freundeskreis organisierten Reise nach Nimmesch
Teilnehmer der vom Stifoller Freundeskreis organisierten Reise nach Nimmesch

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Kommunistische Unterdrückung in Ungarn und Deutschland –
Zwei Regimegegner berichten

August 2022 | DUG-Veranstaltung in Bonn
Karl Tschurl, eines der ältesten DUG-Mitglieder zu Gast im Zeitzeugen­gespräch

Unter dem o.g. Thema lud die Deutsch-Ungarische Gesellschaft zu einem Gesprächsabend in das Gustav-Stresemann-Institut in Bonn ein. Und die Teilnehmer erlebten einen gleichermaßen lehrreichen wie eindringlichen Abend.

Zuerst sprach Karl Tschurl, eines der ältesten DUG-Mitglieder, der erst kürzlich sein 90. Lebensjahr vollendet hat. Er berichtete über die Schikanen, die er, nach der kommunistischen Machtergreifung als Sohn wohlhabender Landwirte aus Enese im Komitat Györ schon als Kind ertragen musste. Trotz seiner schulischen Begabung gelang es ihm nur mit Mühe, überhaupt zum Abitur zugelassen zu werden.
Studieren durfte er danach nicht, sondern wurde Fabrikarbeiter in der Metall­industrie. Immerhin gelang es ihm mit eisernem Willen, über Umwege an die Franz Liszt-Akademie in Budapest zu kommen, um sich dort seiner eigentlichen Leiden­schaft zu widmen: der Musik.

In Budapest erlebte er unmittelbar den politischen Gärungsprozess mit, der schließlich in den Ausbruch des Ungarischen Volksaufstands am 23. Oktober 1956 führte. Er war beim symbolträchtigen Sturz des Stalin-Denkmals vor dem Budapester Stadtwäldchen dabei – und besitzt noch heute, wie er schmunzelnd erzählt, »ein kleines Trümmerstück von Stalin«.
Nach der Niederschlagung des Aufstands durch sowjetische Panzer floh Tschurl erst nach Österreich und ging dann nach London, um an der dortigen Royal Akademie mit einem Diplom als Bratschist und Musiklehrer für Geige abzuschließen. Dann startete er eine internationale Karriere als Musiker mit Stationen u.a. in Wien (Philharmonia Hungarica), Luzern, Baden-Baden. Fast 30 Jahre lang gehörte er den Duisburger Philharmonikern an.

Felix Heinz Holtschke, weiterer Gast des Abends – Freiganggelände des Stasi-Gefängnisses in Hohenschönhausen

Ungarn blieb Tschurl immer eng verbunden: Nach dem Fall des Kommunismus erwarb er mit Entschädigungs­zahlungen etwas Ackerland und stellt die Pachteinkünfte bis heute vollständig für die musikalische Förderung von Kindern in seinen Heimatdörfern zur Verfügung.
Felix Heinz Holtschke, weiterer Gast des Abends – Freiganggelände des Stasi-Gefängnisses in Hohenschönhausen

Tschurls bescheidene Schilderung seines außergewöhnlichen Lebensweges war für die Zuschauer spürbar ebenso beeindruckend wie das, was dann Felix Heinz Holtschke aus seinem Leidensweg in der DDR in den 70er und 80er Jahren vortrug. Was als harmloser Briefwechsel mit gleichaltrigen Schülern begann, führte ihn früh­zeitig ins Visier der Stasi, aus dem es irgendwann kein Entrinnen mehr gab.

Nachdem er sein Studium in Dresden als Diplom-Ingenieur für Verkehrsbauwesen abgeschlossen hatte und nach Ost-Berlin gekommen war, wurde sein Drang nach Freiheit immer stärker. Er kam in Kontakt zu DDR-Oppositionskreisen und schließlich mit einem »Fluchthelfer«, der ihn an die Stasi verriet. Im November 1984 wurde er mit seiner schwangeren Frau verhaftet und zwei Monate später wegen »Republikflucht und verbrecherischer Agenten­tätigkeit« 1985 zu drei Jahren Haft verurteilt und in berüchtigten Stasigefängnissen eingekerkert.

Die völlige Willkür und Rechtlosigkeit als politischer Häftling, die Felix Holtschke bewegend und anschaulich beschrieb, die Schikanen der Wärter, die schlimmen Haftbedingungen und die emotionale Einsamkeit, die damit verbunden war, hinterließen bei seinen Zuhörern in Bonn erkennbar tiefen Eindruck.
Ende 1985 wurde er »freigekauft« und kam nach Westdeutschland, wo er beruflich schnell Fuß fasste und erfolgreich war. Aber seine Erlebnisse als Opfer eines kommunistischen Unterdrückungsregimes, auch das wurde deutlich, beschäftigen ihn bis heute. Er engagiert sich seit Jahren führend im Verein der Opfer des Stalinismus.

Man kann nur hoffen, dass beide Persönlichkeiten, Karl Tschurl genauso wie Felix Heinz Holtschke, gerade unter jungen Menschen viele weitere Zuhörer finden. Durch ihre Schilderungen wird sichtbar, dass Freiheit nichts Selbstverständliches ist und Menschen braucht, die sie engagiert verteidigen. Auch das ist vor dem Hintergrund unserer Geschichte eine wichtige Aufgabe für die deutsch-ungarische Freundschaft.

DUG-Veranstaltung:
Deutsch-Ungarische Perspektiven nach den Wahlen

»Schon deshalb liebe ich die Ungarn«

Mai 2022 | Ein Veranstaltungsbericht von Zita Tipold

Mit nicht weniger als 54 Pro­zent der Stimmen tri­um­phierte das ungarische Regie­rungs­bündnis Fidesz-KDNP bei den Parlaments­wahlen im April. Das sind Zahlen, von denen deutsche Parteien nur träumen kön­nen. Hiesige Medien rea­gier­ten erwar­tungs­gemäß en tsetzt auf die demokra­tische Ent­schei­dung. »Die Ungarn haben es gewagt, den deutschen Wahl­em­pfeh­lun­gen nicht Folge zu leisten«, sagte der Präsident der Deutsch-Ungarischen-Gesell­schaft (DUG), Gerhard Papke, mit verschmitzt-iro­ni­schem Ton am Dienstagabend in der ungarischen Botschaft in Berlin und sorgte damit für Schmunzeln.

Nachdem Ministerpräsident Viktor Orbán am Montag vom Parlament in seinem Amt bestätigt wurde, gilt es nach vorne zu schauen und die deutsch-ungarischen Perspektiven nach der Wahl auszuloten. »Die Ungarn haben in Deutschland mehr Freunde als ZDF und ARD vermuten lassen«, versicherte Papke dem Botschafter bei der Begrü­ßung der Gäste. »Das ist gut, denn dort haben wir keinen einzigen«, entgegnete der mit einem Grinsen im Gesicht. In ein an den Vortrag anschlie­ßen­des Nach­wort präsentierte Journalist Olaf Opitz die größten me­di­alen Entgleisungen bei der Bericht­er­stat­tung nach der Ungarn-Wahl und sorgte damit für reichlich Gelächter und gute Stimmung.

Ungarn lässt sich nicht reinreden
Einige der größten Kritiker Ungarns würden das Land nicht kennen, gab der DUG-Präsident zu Bedenken. Dennoch attackierten sie die dortige Regierung und appel­lierten an die Bevölkerung, den vermeintlichen »Diktator« Orbán abzuwählen. Sie hatten wohl auf einen Sieg der Oppositionsliste gehofft, die selbst deren Spit­zen­kan­­­­­­didat Péter Márki-Zay während des Wahl­kampfs als breites Bündnis von »Faschisten bis Kommunisten« bezeichnete. Wer das Volk aus dem Herzen Europas kennt, weiß aber: Sie haben ihren eigenen Kopf und lassen sich nicht reinreden. »Sie machen, was sie für richtig halten. Allein schon deshalb liebe ich die Ungarn«, betonte Papke. »Unsere Politik wird nicht in Brüssel entschieden, sondern in Budapest«, bekräftigte Györkös.

Rechtsstaatlichkeitsverfahren fühle sich wie Strafe an
Dafür erhielt das Land kurz nach der Wahl die Quit­tung. Nur 36 Stunden nach dem Urnengang kündigte EU-Kom­mis­sions­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen an, ein Rechts­staatlichkeitsverfahren gegen Ungarn einzuleiten. »Das war für mich ein Kul­tur­bruch«, bedauerte der Bot­schaf­ter. Die Mit­teilung aus Brüssel habe sich wie eine Strafe angefühlt. Diejenigen, die versuchten, sein Land mit Mittel­kür­zungen zu erpres­sen, würden es nie verstehen. In seiner Heimat fruchte eine solche Maßnahme nicht. »Mia sind mia«, sagte er mit Blick auf die bayerische Redensart.

Galt Ungarn vor der Wahl, die von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf ihre Richtigkeit überprüft wurde, für deutsche Vertreter links der Mitte noch als Problembär in Sachen Rechts­staatlichkeit, haben sie aktuell einen neuen Grund gefunden, um das Land ins Visier zu nehmen. Diesmal lautet der Vorwurf »Putinfreundlichkeit«.

Botschafter Györkös: Russland ist der Aggressor
»Wir wissen, wer der Aggressor ist«, stellte Györkös eindeutig klar. Es handele sich um einen Angriff Russlands auf die Ukraine. »Wir öffnen unsere Herzen, Arme und unser Land für die Flüchtlinge.« Hundert­tausende Menschen hatte Ungarn auf­ge­nom­men. Einige sind weitergezogen, manche mittlerweile wieder heim­gekehrt. Viele von ihnen werden dort aber noch immer versorgt. Diese Art der Unter­stüt­zung leiste sein Land gerne, Soldaten und Waffen werde es aber nicht in die Ukraine schicken. Auch gegenüber Sanktionen habe es Vorbehalte, stellt Györkös klar. Die Voraussetzung müsse immer sein, dass solche dem »Aggressor« mehr scha­deten als denen, die sie verhängten. »Willst du Putin in die Knie zwingen oder Ungarn?«, warf Györkös auf. Das von der EU geplante Öl-Embargo stelle für die Wirtschaft seines Landes ein »horizontales Problem« dar. Die Regierung hatte eine solche Maßnahme zuvor mit einer drohenden »Atombombe« für Ungarns Wirtschaft verglichen.
»Moral ist wichtig, sie ernährt aber keine Familie«, stellte der Botschafter pragmatisch fest. Selbst US-Finanz­ministerin Janet Yellen habe vor einem Öl-Embargo gewarnt. Ein solches Verbot richte auch ihr zufolge mehr Schaden an als es Nutzen bringe.

Position zu Sanktionen sei durch die Wahl vom Volk legitimiert
Am Tag als die EU angekündigt habe, über eine ent­sprechende Sanktion nachzudenken, sei der Welt­markt­preis für Öl sofort um vier Prozent gestiegen. Folglich habe Putin allein schon an der Überlegung verdient, mahnte Papke.
Anders als es in den Medien dargestellt werde, stelle sich Ungarn also nicht aus einer Freundschaft zu Putin gegen die Sanktionen quer, sondern, um Schaden von der eigenen Wirtschaft abzuwenden, verdeutlichte Györkös noch einmal eindringlich.
Die ungarische Bevölkerung stehe hinter dieser Posi­tion. Der Ukraine-Krieg sei ein großes Thema im Parl­aments­wahl­kampf gewesen und die Parteien hätten klar gemacht, welchen Kurs sie anstreben. Um solche Punkte zu berücksichtigen, fehle es in Deutschland aber gelegentlich an der »intellektuellen Neugier«. Ungarn wäge schwerwiegende Ent­schei­dun­gen gut ab. »Mia san mia«, betonte Györkös noch einmal. »Und wären wir anders, wäre 1989 vielleicht nicht der erste Stein aus der Berliner Mauer gebro­chen.«

Der Journalist Olaf Opitz gab einen Einblick in die Berichter­stattung deutscher Medien nach den ungarischen Wahlen. (v.l.n.r. Gerhard Papke, Botschafter Péter Györkös, Olaf Opitz)

Wahl Katalin Nováks zur Staatspräsidentin

Die Mutter der ungarischen Nation

März 2022 | von Zita Tipold

Erstmals in der Geschichte des Landes hat Ungarn eine Staatspräsidentin. Katalin Novák ist nicht nur die erste Frau in diesem Amt, sondern mit ihren 44 Jahren auch das jüngste Staatsoberhaupt seit der demo­kra­tischen Wende 1989. Sie löst damit János Áder ab, der im Mai nach zehn Jahren aus dem Amt scheiden wird.
»Frisch, intelligent und hübsch«, beschrieb Ungarns Minister für Human­ressourcen, Zoltán Balog, die Fidesz-Politikerin 2012. Damals suchte er einen neuen Kabinettschef. Die studierte Juristin und Volkswirtschaftlerin bewarb sich um die Stelle – mit Erfolg.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Familienmutter und Karrierefrau bereits drei Kinder und erste politische Erfahrungen als Regierungsbeamte im Außenministerium gesammelt. In den folgenden Jahren sollte sie ihr Weg über mehrere Posten als Staatssekretärin schließlich zur Vizepräsidentin ihrer Partei führen. Sowohl im Ministerium für Humanressourcen wie auch als Vorsitzende des Fidesz-Kabinetts für Demographie und Familienangelegenheiten, widmete Novák sich immer wieder ihrem Herzensthema Familienpolitik. Eine besondere Würdigung dieser Bemühungen kulminierte 2020 schließlich in ihrer Berufung zur Familienministerin.

Glaube hat hohen Stellenwert für Novák
Doch die gebürtige Szegedinerin mit der warmherzigen Ausstrahlung gewährt neben ihrer politischen Tätigkeit auch gerne Mal einen Blick ins Private: Sei es als Mutter, Hausfrau oder Marathonläuferin. Zudem hat ihr Glaube einen hohen Stellenwert für die reformierte Christin, die sich vielen karitativen Projekten widmet.
Obwohl Novák als Politikerin selbst in einer männlich geprägten Domäne zugange ist, appellierte sie in der Ver­gan­genheit mehrfach an Frauen, nicht dem Gefühl zu erliegen, ständig mit Männern konkurrieren zu müssen. In der Tat eifert sie Männern nicht nach, sondern bringt ihren ganz eigenen Stil in die politische Sphäre ein, der von klassisch weiblichen Qualitäten wie einer hohen Empathie geprägt ist. So betonte sie in ihrer Bewerbungsrede mit Blick auf den Krieg zwischen Rußland und der Ukraine: »Wir Frauen wollen nicht den Krieg, sondern den Frieden gewinnen.« Und weiter: »Ich möchte nicht im Vergleich dazu, sondern auch dank der Tatsache, dass ich eine Frau bin, eine gute Präsidentin werden.«

Onlinekonferenz zur Medienfreiheit in Ungarn/Veran­stal­tungs­bericht

Januar 2022 | von Márton József Böhm

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Deutschland und Ungarn im Gespräch« organisierten das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit am Matthias Corvinus Collegium und die Deutsch-Ungarische Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland e.V. am 17. Januar 2022 einen Vortrag über die Medienfreiheit in Ungarn mit anschließender Podiumsdiskussion. Die Veranstaltung, welche von über 90 Zuschauern live mitverfolgt werden konnte, wurde über Zoom abgehalten.

v.l.n.r.: Bence Bauer, Direktor Deutsch-Ungarisches Institut für Europäische Zusammenarbeit; Boris Kálnoky, Leiter der Medienschule am MCC und Gerhard Papke, DUG Präsident

Nach den Einladungsworten der beiden Gastgeber, Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Institutes, sowie Gerhard Papke, Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft, hielt Boris Kálnoky, Leiter der Medienschule am MCC, seinen Vortrag. Kálnoky führte in die Geschichte der ungarischen Medienlandschaft ein, angefangen von der Ausganglange zur Wendezeit. Der jahrelange Auslandskorrespondent der Welt hob hervor, dass sich mittlerweile eine Ausgewogenheit zwischen regierungskritischen und regierungsfreundlichen Medien eingestellt habe, wenngleich es in den verschiedenen Bereichen bestimmte Ungleichgewichte gibt. Während die meisten Tageszeitungen regierungsfreundlich sind, stehen etwa die meisten Wochenzeitungen der Regierung kritisch gegenüber. Früher dagegen habe es eine klare Dominanz der linksliberalen Medien gegeben. Von einer nicht vorhandenen Medienfreiheit kann schließlich heutzutage gar nicht die Rede sein – auch wenn die Medien in der Regel politisch nicht unabhängig sind, wird keine Einflussnahme auf regierungskritische Medien ausgeübt. Insbesondere die Internet-Medien avancierten zu den Plattformen des öffentlichen Diskurses, wobei vor allem regierungskritische Portale die meisten Besucher verzeichnen. 11 Mio. »Real Users« der regierungsfreundlichen Online-Medien stehen 13,7 Mio. Zugriffen auf regierungskritischen Seiten gegenüber.

Im Anschluss eröffnete sich dem Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen und verschiedene Aspekte des Impulsvortrages zu kommentieren. Zur Sprache kamen etwa die gesetzliche Lage hinsichtlich der Hassrede im Internet, die Finanzierung von Medien im digitalen Zeitalter und die Herausforderungen des Qualitätsjournalismus. Herr Kálnoky wurde des Weiteren zu seiner Meinung über die Medienlandschaft in den anderen V4-Ländern sowie zum Ungarn-Bild in der deutschen Presse befragt. Kálnoky zufolge würden sich die deutschen Medien nicht nur gegen Ungarn unausgewogen positionieren. Ebenso herablassend werde zum Beispiel über die »faulen Griechen« oder die wegen des Brexits »dummen Engländer« geschrieben. Die Deutschen gefallen sich in ihrer Rolle, alleinig Recht zu haben, so Kálnoky. Dabei wurzele dies in der Selbstwahrnehmung der Deutschen, die sich mehrheitlich eher als Europäer denn Deutsche sehen. EU-kritische Töne aus Ungarn werden demnach von den Deutschen konsequent als Angriffe gegen sie selber empfunden, meinte Kálnoky. Das Verständnis für den ungarischen Blickwinkel sei in den vergangenen Jahren daher stark geschrumpft. Hierauf schloss Papke mit einem Plädoyer für mehr Fairness gegenüber Ungarn in der journalistischen Berichterstattung.

Ungarnaufstand 1956 – DUG Veranstaltung im CHB

UG Präsident Gerhard Papke im Gespräch mit László Fodor (Die Veranstaltung fand am 16. November 2021 im Collegium Hungaricum Berlin/CHB statt.)

»Jetzt bin ich ein Freiheitskämpfer«

November 2021 | von Zita Tipold

Wenn László Fodor von seiner Jugend erzählt, lässt das einen schmunzeln und im nächsten Atemzug stocken. Während andere noch die Schulbank drückten, kämpfte er als junger Mann für die Freiheit seines Landes. Gerade einmal 17 Jahre alt, als die sowjetischen Panzer im Oktober 1956 in Ungarn einrückten, um dem begin­nenden Aufstand Einhalt zu gebieten.

Dieser erste, erfolgsversprechende revolutionäre Funke im Herzen Europas sollte später auf den gesamten Ost­block übergreifen und den Weg zum Ende der deutschen Teilung ebnen. Bei einer Ver­an­stal­tung der Deutsch-Ungarischen-Gesellschaft im Berliner Kulturforum Collegium Hungaricum schilderte Fodor anläßlich des 65. Jahrestags des Ungarn­auf­stands nun, was es heißt, aufzubegehren.

Wie leicht es war, anzuecken, merkte der aus einer offen konservativen Familie stammende Katholik schon früh. Als ihn sein Vater, ein früherer Berufs­offi­zier, auf dem heimischen Gymnasium in Sopron anmelden wollte, ent­ge­gnete der Direktor diesem nur: »Was für eine Unver­schämtheit. Sie sind der größte Feind des ungarischen Volkes.«
Als er durch seinen Onkel, den stellvertretenden Schul­leiter eines Technischen Gymnasiums in Veszprém, schließlich Zugang zu einer höheren Bildungsanstalt bekam, erklärte ihm der dortige Direktor sogleich, was er in seinem sowjetisch besetzten Heimatland zu erwarten hatte: »Wir haben hier das Ziel, dich zu einem treuen und überzeugten Sozialisten zu erziehen.« Eine bessere Note als ein »befriedigend« dürfe er bei seinem Elternhaus nicht erwarten.

»Wir Kinder haben die Russen gehasst«, erzählt Fodor mit Bitterkeit in der Stimme. Für ihn habe der Ungarn­auf­stand schon viel früher begonnen: im März 1953, mit dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin. Als er davon erfahren habe, sei er die Treppe zum Klassen­zimmer hochgerannt und habe freudig gerufen: »Stalin ist tot, es lebe die Freiheit!« Doch es sollten noch drei Jahre vergehen, bis sich der bewaff­nete Widerstand regte.

Kugel verfehlte Fodor nur knapp
Die geladene Stimmung habe sich schon im Sommer abgezeichnet. »Etwas hatte sich verändert, es lag was in der Luft«, erinnert er sich. Was sich über Jahre hinweg an Wut, Frustration und Kritik angestaut hatte, entlud sich schließlich mit voller Wucht am 23. Okto­ber. »Plötzlich hieß es ‘Russen raus’ und ‘Ungarn den Ungarn’«, schildert er lebhaft. Das habe ihn erschro­cken – doch die Faszi­nation überwog. Und schließlich hörte er den erlösenden Satz, auf den so viele seiner Landsleute so lange gewartet hatten: »In Budapest ist die Revolution ausgebrochen.« Da wusste er: »Jetzt geht es los.«

Sofort erklärte sich der junge Mann bereit, den Veszprémer Revolutionsrat zu unterstützen, wohl wissend, dass die Stadt eingekesselt von wichtigen Stützpunkten der Sowjets war. So machte er sich mit einem Freund auf den Weg, um mit einem Lkw Lebens­mittel in die mittlerweile hermetisch abge­rie­gelte Hauptstadt zu bringen. Wie ernst die Situation bereits war, wurde ihm erst klar, als der Fahrer ihn anwies, für alle Fälle den Kopf unten zu halten, falls auf den Wagen geschossen werde. Beim Aussteigen sah er, dass ihn eine Kugel tatsächlich nur knapp verfehlt hatte. »Man denkt nicht nach, man macht einfach«, erzählt Fodor rückblickend.

Nach Budapest hinein zu gelangen, war die eine Sache, es wieder hinaus zu schaffen, die andere. Ehe er sich versah, legte ihm der Hausmeister, der die Lebensmittel vom Laster abgeladen hatte, mit viel­sagen­dem Blick eine Waffe in die Hand: ein Gewehr aus dem Zweiten Welt­krieg mit 60 Schuss. »Jetzt bin ich ein Freiheitskämpfer«, dachte sich Fodor. Zu Fuß schlug er sich von Buda nach Pest durch, damals noch zwei getrennte Städte. Mitten durch den noch immer andauernden Aufstand. Zu seinen Füßen lagen die Toten, die bereits im Kampf ihr Leben gelassen hatten.

Fodor sah Mitschüler sterben
Zurück in Veszprém schüttelte ein Bekannter ange­sichts der vielen Toten traurig den Kopf und fragte nach dem SInn des Aufstands. Das habe ihn schreck­lich beleidigt, sagt Fodor, der ihm sogleich ent­ge­gnete: »Natürlich muss Blut fließen, aber wir werden gewinnen!« Doch da unterschätzte er die Übermacht des Gegners, der den Aufstand mit aller Gewalt niederwälzte.

Am 4. November trieben die Sowjets auch Fodor und seine Mitschüler auf der Straße zusammen. Auf den Befehl, die Hände in den Nacken zu legen, folgte das Geräusch ladender Gewehre. »Hoffentlich können sie zielen«, dachte Fodor, der hoffte, nicht lange leiden zu müssen. Plötzlich drehte sich ein Mitschüler um, doch eher er etwas entgegnen konnte, knallte ein Schuss und der Junge fiel tot zu Boden. Da tönte es aus der Menge: »Seid ihr verrückt geworden? Das sind doch noch Kinder!«, worauf die Soldaten von ihnen abließen.

Auf die Frage, ob er während des Aufstandes Angst hatte, schüttelt der heute 82jährige, der heute als Arzt im Ruhestand in Berlin lebt, den Kopf. »Es war ein Glücks­gefühl, etwas für meine Heimat zu tun. Ich spürte, das, was wir tun, ist groß.« Jedoch wusste er damals auch, dass er nach dem niedergeschlagenen Aufstand nicht in Ungarn bleiben konnte. Er war bereits als Widerständler aktenkundig. So verließ er sein Land nach einem schmerz­haften Abschied von seiner Familie kurz darauf an einem regnerischen, nebligen Novembertag über die Grenze zu Österreich.

»Integration setzt Bereitschaft voraus«
Sein Weg führte ihn schließlich nach Deutschland, wo er sein Abitur machte, Medizin studierte und später mehrere Chefarztposten bekleidete. Auch wenn es mühsam war, sich in der Bundesrepublik zurecht­zu­fin­den und die deutsche Sprache zu lernen – es ist Fodor geglückt. »Integration setzt Bereitschaft voraus. Man muss sich mit dem Land identifizieren und vor­an­kom­men wollen«, betont er.

Für den Präsidenten der Deutsch-Ungarischen-Gesell­schaft, Gerhard Papke, steht diese Geschichte beispiel­haft für den großen Freiheitsdrang der Ungarn, der sich auch heute wieder zeige. Der Aufstand 1956 habe weit über die Landesgrenzen hinaus Mut gemacht. Auch deshalb blicke er als Deutscher mit Dank auf dieses Kulturvolk aus der Mitte Europas.

Dieser Text erschien erstmals bei der Wochenzeitung Junge Freiheit.

v.l.n.r. Dr. Gerhard Papke, Dr. László Fodor und Dr. Márta Nagy (Institutsleiterin CHB)

Agrarforschungspreise der Janelly-Akademie in Budapest verliehen

Dezember 2021

Zum 16. Mal wurden in der Akademie der Wissenschaften die diesjährigen Agrarforschungspreise der Janelly-Akademie verliehen. Den Artikel dazu (Budapester Zeitung)
laden Sie bitte hier herunter.

Ein deutscher Kabarettist und Ungarn

September 2021

Detlev Schönauer ist deutscher Kabarettist, mittlerweile im Ruhestand und nach Ungarn umgezogen. Als aufmerksamer Beobachter macht er sich seine eigenen Gedanken über das deutsch-ungarische Verhältnis, so etwa in Form einer Glosse zum Ungarn-Bild in Deutschland. Und er schreibt zudem über seine persönlichen Erfahrungen als Rentner in Ungarn. Seine folgenden Beiträge konnten wir freundlicherweise aus der »Budapester Zeitung«
übernehmen (Download bitte hier).

Unbedingt lesenswert!

»Im Karpaten­bogen: Ungarn und die Diaspora der Magyaren« ist ein Sammelband von Bei­trä­gen des lang­jährigen FAZ-Korres­pon­denten und heraus­ragen­den Ungarn-Kenners Prof. Dr. Reinhard Olt (im Bild). Das Buch ist jedem Freund Ungarns wärmstens zur Lektüre zu empfehlen. Der Autor ist überzeugt davon, dass die Gewährung des rechtssicheren Volks­gruppen­schutzes sowie das Recht auf kulturelle und territoriale Auto­nomie zur Schaffung eines stabilen und sicheren Europas bei­tra­gen. Sein Buch ist auf Deutsch und Ungarisch erhältlich.
Mehr dazu und eine ausführlichere Buch­besprech­ung laden Sie sich bitte hier herunter.

Erinnerung an Professor Zénó Terplán

Anlässlich des 100. Geburtstages von Professor Zénó Terplán führte die Ungarische Akademie der Wissenschaften am 25.5.2021 eine Online-Festveranstaltung durch.
Dabei kamen unter anderem der Rektor der Universität Miskolc, ehemalige Präsidenten der Akademie in Miskolc, seine Nachfolger als Lehrstuhlleiter der Maschinenelemente, Kollegen, ehemalige Studenten und sein Sohn zu Wort.

Professor Terplán in einer seiner legendären Vorlesungen. Seine Tafelbilder waren druckreif.
Professor Terplán in einer seiner legendären Vorlesungen. Seine Tafelbilder waren druckreif.

Zénó Terplán wurde am 21.5.1921 in Hegyeshalom an der österreichisch-ungarischen Grenze geboren. Er ab­sol­vierte die Grundschule in Köszeg zweisprachig (deutsch-ungarisch), später das Gymnasium bei den Benediktern in Györ. Seine sehr guten Noten in natur­wissen­schaft­lichen Fächern ermöglichten ihm ein Hochschulstudium an der József Nádor Technischen Universität in Budapest. 1943 schloss er dieses mit dem Titel eines Diplom Inge­nieures ab, er arbeitete nahtlos weiter als Assistent bei Professor Ábrahám Pattantyús und später als Adjunkt.

Terplán wurde bereits mit 28 Jahren Lehrstuhlleiter, drei Jahre später erfolgte die Ernennung zum Professor an der Technischen Universität für Schwerindustrie in Miskolc . Dort unterrichtete er 108 Semester und erfüllte viele unterschiedliche Aufgaben wie folgt:

  • Gründung des Lehrstuhls für Maschinenelemente
  • Gründung der Fakultät für Maschinenbau
  • Stellvertreter des Rektors zwischen 1952 und 1960
  • Dekan der Fakultät Maschinenbau zwischen 1964 und 1968
  • Präsident der GTE (Wissenschaftlicher Verein für Maschinenbau) zwischen 1981 und 1990
  • Mitarbeit an der Dezentralisierung der Akademie, zwischen 1979 und 1990 deren Sekretär und danach Präsident bis 1996.

Prof. Terplán war sehr aktiv in IFTOMM (International Federation for the Theory of Machines and Mechanisms) und versuchte schon damals Ost und West zusammen­zubringen.

Seine Vorlesungen waren legendär. Terpláns Tafelbilder, die er mit zwei Händen symmetrisch und mit farbigen Kreiden konstruierte waren druckreif.

Er publizierte mehrere Bücher in ungarischer und deutscher Sprache – insbesondere die Bücher über Planetengetriebe waren sehr bekannt. Dazu kommen noch über 500 Publikationen und Vorträge.

Aufruf zur Zusammenarbeit der Freunde Ungarns in Deutschland

Januar 2021

Gemeinsamer Aufruf deutsch-ungarischer Organisationen für eine faire Bewertung Ungarns in Deutschland. Ungarn will keine Massenzuwanderung, sondern das christlich-abendländische Europa verteidigen. Dafür sollten wir Deutschen dankbar sein. Und für die Öffnung der Mauer 1989.

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»Ungarn im Gespräch«: Die Pandemie und ihre Folgen – DUG Veranstaltung in der ungarischen Botschaft in Berlin

von links nach rechts: Christian Schmidt, MdB; Gerhard Papke und Botschafter Péter Györkös

Das Vermächtnis Helmut Kohls nicht vergessen!

Am 9. September 2020 hatte die Deutsch-Ungarische Gesellschaft (DUG) erstmals seit Ausbruch der Pandemie wieder zu einer Präsenzveranstaltung eingeladen. Auch für die ungarische Botschaft in Berlin, der Ort der Veranstaltung, war es die erste größere Veranstaltung unter Corona-Bedingungen.

Auch für die ungarische Botschaft in Berlin, der Ort der Veranstaltung, war es die erste größere Veranstaltung unter Corona-Bedingungen. Die geltenden Hygieneregeln zum Infektionsschutz mussten selbstverständlich beachtet werden. Durch den nötigen Mindestabstand zwischen den Stühlen der Gäste sah es im großen Saal ein wenig wie bei einer Abiturprüfung aus, wie DUG-Präsident und Moderator der Veranstaltung, Gerhard Papke, bei seiner Begrüßung anmerkte.
Um so lebhafter erwies sich allerdings die anschließende Diskussion, für die die DUG Ungarns Botschafter Péter Györkös sowie den CSU-Bundestagsabgeordneten und früheren Bundesminister Christian Schmidt als Gesprächspartner gewonnen hatte. Beide kritisierten die häufig unsachliche Darstellung der ungarischen Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in der deutschen Öffentlichkeit.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass weitreichende Sonderbefugnisse für die Regierungen Westeuropas als selbstverständlich betrachtet würden, im Falle Ungarns aber als strukturelle Bedrohung der Demokratie. Papkes Forderung zu Beginn des Abends, ungarische Politik endlich fair und sachgerecht zu bewerten, zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung.

Botschafter Péter Györkös begrüßt die Gäste zur ersten Veranstaltung der DUG-Reihe »Ungarn im Gespräch.«

Europa geschlossen und handlungsfähig halten
Christian Schmidt, seit vielen Jahren einer der führenden Außenpolitiker der CSU, betonte die unbedingte Notwendigkeit, zu gemeinsamen Ergebnissen in der Europäischen Union zu kommen. Er prägte eine der Schlüsselbotschaften des Abends, als er dafür warb, sich des »Kohl´schen Axioms« der deutsche Europa­politik zu erinnern: Nur durch die ver­trauens­volle Zusammenarbeit Deutschlands mit den kleineren und mittel­großen Ländern könne Europa geschlossen und hand­lungs­fähig bleiben. Wenn die EU sich aus­einan­der­divi­die­ren lasse, werde sie nach innen wie nach außen an Bedeutung verlieren.

Als Schatzmeister der Europäischen Volkspartei hatte Schmidt im übrigen schon früher öffentlich davor gewarnt, die ungarische Regierungspartei Fidesz aus dem konservativen Parteienverbund EVP auszuschließen. Eine solche Parteienfamilie, so Schmidt, müsse nun einmal eine unterschiedliche Bandbreite an Meinungen aushalten können.

Botschafter Györkös griff vor allem die zunehmende polit­ische Belie­big­keit der Rechts­staats­debatte auf, die immer wieder gegen Ungarn gerichtet werde. Über die Be­stim­mung der Grund­werte in Art. 2 des EU-Ver­tra­ges hinaus exis­tiere keine ein­heit­liche Defi­ni­tion von Rechts­staat­lich­keit, was angesichts ganz unter­schied­licher Ver­fassungs­tradi­tionen in Europa auch schwer­lich möglich sei. Die Gemein­samkeit europä­ischen Rechts bedeute eben nicht, alles über einen Kamm zu scheren.

Wer europä­isches Recht ver­letzt sehe, so der Bot­schaf­ter, könne dagegen klagen. Aber das Rechts­staats­argument zu instru­men­tali­sieren, um die poli­tischen Über­zeu­gun­gen anderer Länder zu diffa­mieren, sei nicht hin­nehm­bar und stelle in letzter Konse­quenz die Hand­lungs­fähig­keit der EU infrage. Ungarn erwarte jetzt auch einen zügigen Abschluss des vom Europa­parla­ment be­schlos­senen sog. Art. 7-Ver­fah­rens und baue dabei ins­be­son­dere auf die aktuelle deutsche Rats­präsi­dent­schaft.

Die Gäste der Ver­an­stal­tung, darunter auch der CSU-Bun­des­tags­abge­ord­nete Karl Holmeier, erlebten eine span­nende Tour durch aktuelle Fragen der Euro­pa­poli­tik. Die deutsch-ungarische Freund­schaft, auch das wurde deut­lich, besitzt nicht nur einen Wert an sich, so bedeu­tend dieser Wert auch ist. Es geht beim deutsch-ungarischen Ver­hält­nis auch um die Frage, ob die Euro­päische Union wieder zu einer Koopera­tions­kultur zurück­findet, die für Helmut Kohl zum Funda­ment seiner Politik gehörte.

Zu den Gästen der Veranstaltung zählten u.a.: Karl Holmeier, MdB; Heinz Soth; Dr. Peter Spary (v.l.n.r.)

Bürgerinitiative für regionale Kulturen

September 2020

An dieser Stelle möchten wir Sie auf die »Europäische Bürgerinitiative für die Gleichstellung der Regionen und die Erhaltung der regionalen Kulturen« aufmerksam machen. Die Initiative ist in Deutschland bisher kaum bekannt, in Ungarn findet sie aber bereits starke Unterstützung.

Der »Bund Ungarischer Organisationen in Deutschland«, mit dem wir als Deutsch-Ungarische Gesellschaft eng zusammenarbeiten, hat zu diesem Thema ein Informationsblatt mit weiterführenden Links zusammengestellt, das Sie sich hier herunterladen können.

DUG-Besuchergruppe bei Volkmar Klein im Deutschen Bundestag

© Volkmar Klein, Facebook

Eine Gruppe von Mit­glie­dern der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bun­des­re­pu­blik Deutschland aus Berlin und Umgebung besuchte auf Einladung des Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten Volkmar Klein (CDU) im Dezember den Deutschen Bundestag. Dabei konnten sie zunächst von der Besuchertribüne aus die laufende Plenarsitzung verfolgen, bevor sich der Abgeordnete persönlich Zeit nahm, um sich den Fragen seiner Gäste zu stellen.

Volkmar Klein, direkt gewählt im Wahlkreis Siegen-Wittgenstein, ist selbst Mitglied der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft und in Ungarn ein nach­ge­frag­ter Gesprächspartner. Er berichtete von seinen jüngsten Besuchen in Budapest, aber auch von seinem weltweiten Engagement als Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für wirtschaftliche Zusam­menar­beit und Entwicklung.

Die DUG-Delegation war sichtlich be­ein­druckt von der Vielfalt seiner Aufgaben. Unverzichtbare Präsenz in seinem westfälischen Wahlkreis, um Bürger­an­lieg­en möglichst unmittelbar aufnehmen zu können, und internationale Ver­pflich­tun­gen gehen Hand in Hand. So stand nach dem Austausch mit der DUG auch gleich ein Treffen mit einem Regie­rungs­ver­tre­ter aus Neuseeland an. Zu Ende war der Sitzungstag des Bundestages für den Abgeordneten allerdings damit noch lange nicht.

Erinnerung an 1956 und 1989 in Düsseldorf – Verabschiedung von Generalkonsul Balázs Szegner

DUG-Präsident Gerhard Papke, Generalkonsul Balázs Szegner, Staatssekretär Attila Steiner (von links nach rechts).

Mit 180 Gästen nahezu aus allen Nähten platzte der große Versammlungssaal des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Düsseldorf am 22. Oktober.

Das Generalkonsulat Ungarns in der nordrhein-west­fä­lischen Landeshauptstadt und die Deutsch-Unga­rische Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland hatten zur gemeinsamen Gedenk­ver­anstal­tung zum Unga­ri­schen Volksaufstand 1956 eingeladen. Die Veranstaltung erinnerte in diesem Jahr zusätzlich an die Ereignisse von 1989, als die kommunistischen Regime in Mittel- und Osteuropa unter dem Druck der Völker zu­sam­men­brachen, die endlich wieder ihre Freiheit zurückwollten.

Für den ungarischen Generalkonsul Balázs Szegner, der die Gäste mit herzlichen Worten begrüßte, bedeu­tete die Veranstaltung zugleich seinen Abschied aus Nordrhein-Westfalen, wo er in den zurück­lie­gen­den Jahren als Repräsentant Ungarns herausragende Arbeit leistete. DUG-Präsident Gerhard Papke und Staatssekretär Attila Steiner als Vertreter der ungarischen Regierung würdigten den besonderen Beitrag Szegners zur deutsch-ungarischen Freund­schaft und sein erfolgreiches Engagement, das tiefe Spuren hinterlassen habe.

Staatssekretär Attila Steiner

Papke überreichte Szegner als Abschiedsgeschenk eine Grubensicherheitslampe aus dem Steinkohlebergbau, versehen mit dem Hin­weis, sie solle ihn immer daran erinnern, nach Deutschland zurückzukommen. Staatssekretär Attila Steiner aus dem ungarischen Ministerium für Justiz und Europa hatte zuvor in seiner Festrede das Selbstverständnis Ungarns als freiheitliche Gestal­tungs­kraft in Europa herausgearbeitet. Die Ungarn seien überzeugte Europäer, bestünden aber in voller Übereinstimmung mit den Europäischen Verträgen darauf, ihren eigenen Überzeugungen zu folgen. 1956 und 1989 habe sich gleichermaßen gezeigt, wie sehr der Kontinent insgesamt davon profitieren könne.

Diesen Faden nahm auch DUG-Präsident Gerhard Papke in seiner Rede auf. Er erinnerte daran, dass Ungarn schon im August 1989 hunderten jungen DDR-Bürgern die Flucht in den Westen ermöglichte: »Hätten unsere Landsleute damals ihre Flucht an der innerdeutschen Grenze probiert, wären wohl viele von ihnen erschossen worden. Die Ungarn hingegen halfen ihnen«. Gerade Deutschland habe den Ungarn unendlich viel zu verdanken und dürfe dies niemals vergessen.

Gerhard Papke

Ein besonderer Höhepunkt der Veranstaltung war das von Papke moderierte Podi­ums­ge­spräch mit Staats­sekretär Steiner und Kálmán Sóvári-Soós, einem aktiven Teilnehmer des 56er Volksaufstandes, dessen Erinnerungen die ganze Dramatik der damaligen Ereignisse noch einmal lebendig werden ließen. Er und die anderen Frei­heits­käm­pfer von 1956 hätten bei aller Enttäuschung über das Scheitern des von russischen Panzern nieder­ge­walz­ten Volks­auf­stands ihre Hoffnung nie verloren: »1989«, so Kálmán Sóvári-Soós, der als Ingenieur und Physiker in Deutschland wie viele andere Exilungarn außerordentlich erfolg­reich war, »hat die Freiheitsliebe des ungarischen Volkes schließlich doch gesiegt«.

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